Vorfahre des Weißen Hais war unscheinbar

Ein vor 165 Mio. Jahren lebender kleiner, träger und unscheinbarer Knorpelfisch dürfte Vorfahre jener Hai-Linie sein, der der Weiße Hai und der größte räuberische Hai aller Zeiten, der ausgestorbene Megalodon, entstammen. Das schließen Forscher aus Haizähnen.

Die Gruppe der Makrelenhaiartigen (Lamniformes) umfasst so etwas wie die Topliga der Meeresräuber: Zu ihr zählen der Makohai, der schnellste Hai der Welt, der Weiße Hai und der vor 2,6 Mio. Jahren ausgestorbene Megalodon, der mit einer Länge von 18 Metern größte jemals auf der Erde lebende Hai. Patrick Jambura vom Institut für Paläontologie der Uni Wien und sein Team haben mit hochauflösenden Mikro-CT Aufnahmen den Zahnaufbau dieser Tiere untersucht und die Ergebnisse nun veröffentlicht.

Fossiles Skelett des knapp einen Meter großen Palaeocarcharias stromeri aus dem Jura-Museum Eichstätt

Jürgen Kriwet

Fossiles Skelett des knapp einen Meter großen Palaeocarcharias stromeri aus dem Jura-Museum Eichstätt

Haizähne bestehen - ähnlich wie jene des Menschen - aus zwei mineralisierten Geweben: einer harten Schale (Zahnschmelz) und dem darunter liegenden Dentin. Bei den Haien kann das Dentin unterschiedlich aufgebaut sein: entweder sehr kompakt wie in den Zähnen der Säugetiere (Orthodentin) oder schwammartig porös, ähnlich wie Knochen aufgebaut sind (Osteodentin). Die kompakte Form kommt nur in der Zahnkrone vor, während die schwammartige Form die Zahnwurzel bildet. Bei einigen Haiarten kommt Osteodentin aber auch in der Krone vor und ergänzt das dortige Orthodentin.

Einzigartige Zähne

Die Forscher entdeckten nun, dass die Makrelenhaiartigen - im Unterschied zu allen anderen bekannten Wirbeltieren - überhaupt keine kompakte Form des Dentin besitzen. Die schwammartige Form, also das Osteodentin, bildet bei ihnen nicht nur die Wurzel, sondern füllt auch die gesamte Zahnkrone aus. Das sei nicht nur eine Neuerung innerhalb der Haie, sondern ist im gesamten Tierreich absolut einzigartig.

Diesen einzigartigen Zahnaufbau entdeckten die Forscher auch in einer anderen, bereits vor langer Zeit ausgestorbenen Hai-Art, dem „Palaeocarcharias stromeri“. Zähne dieser Knorpelfische sind aus bis zu 165 Mio. Jahre alten Ablagerungen bekannt. Palaeocarcharias hatte nicht viel gemeinsam mit den heutigen Makrelenhaiartigen. Er war ein eher unscheinbarer, träger, bodenlebender Hai, der nicht größer als einen Meter wurde. Er lebte im Flachwasser und ernährte sich dort wahrscheinlich von kleinen Fischen. Bisher waren die Verwandtschaftsverhältnisse dieser Art rätselhaft, da der Körperbau sehr an einen Teppichhai erinnert, die Zähne jedoch an Makrelenhaiartige.

Erst die Analyse der Zahnstruktur dieser Art offenbarte, dass Palaeocarcharias denselben Zahnaufbau besitzt wie die Makrelenhaiartigen. „Diese Entdeckung erlaubt es uns, den fossilen Hai Palaeocarcharias dieser Gruppe zuzuordnen, was ihn gleichzeitig zum ältesten bekannten Vorfahren des Weißen Hais macht“, erklärt Jambura. Also selbst große Top-Räuber wie der Weiße Hai haben in der Evolution ganz klein angefangen.

science.ORF.at/APA

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