Rhesusfaktor kann sich spontan ändern

Blut lässt sich nicht nur anhand seiner Gruppen A, B oder 0 unterscheiden, sondern auch über den Rhesusfaktor. Dieser kann sich im Lauf des Lebens spontan ändern – und zwar anders als bisher gedacht, wie nun Wiener Mediziner berichten.

Es gibt mehrere Anlässe, um die Blutgruppe eines Menschen zu bestimmen. Besonders wenn es zu einem größeren Blutaustausch kommt, beispielsweise vor der Geburt oder einer Bluttransfusion, ist es wichtig, die Blutgruppen beider Personen zu kennen und infolge eine mögliche Immunreaktion zu vermeiden.

Dabei spielen nicht nur die Zuckermoleküle des Typs A, B oder 0 an der Zelloberfläche der roten Blutkörperchen eine wichtige Rolle, sondern auch der sogenannte Rhesusfaktor. Befinden sich auf den Erythrozyten spezielle Rhesus-„Eiweiße“, trägt man das Rhesus-Antigen und ist Rhesus positiv, so wie der Großteil der europäischen Bevölkerung. Doch das muss nicht ein Leben lang so bleiben, erklärt Günther Körmöczi, Immunhämatologe an der Medizinischen Universität Wien und Leiter des Erythrozytenlabors am Allgemeinen Krankenhaus Wien (AKH).

Positiv zu negativ

„In meiner klinischen Praxis am AKH kommen mir immer wieder Patientinnen und Patienten unter, die sowohl Rhesusfaktor-positive als auch -negative Blutzellen im Kreislauf haben“, erzählt Körmöczi.

Das gemischte Rhesusfaktor-Vorkommen in ein und derselben Person wird durch eine spontane genetische Mutation hervorgerufen. Dadurch geht bei einigen Blutzellen das Rhesus-Antigen „verloren“ und der Rhesusfaktor ändert sich dort von positiv zu negativ, so der Wissenschaftler. In solchen Fällen sei laut Körmöczi eine spezielle Untersuchung anzuraten, um mögliche zugrundeliegende Bluterkrankungen wie Leukämie auszuschließen.

Günther Körmöczi, Stv. Klinikleiter, Leiter Erythrozytenlabor und Granulozytenimmunologie

ORF - Laura-Charlotte Costan

Günther Körmöczi

Zeichen des Älterwerdens

In etwa 50 Prozent der Fälle sei die Rhesusfaktoränderung jedoch nicht auf eine Bluterkrankung zurückzuführen und mit keinem Nachteil verbunden. „Es ist dann lediglich ein Zeichen des Älterwerdens und spiegelt die damit verbundene Anhäufung von Mutationen wieder“, so Körmöczi.

Bereits in den 1960er Jahren wurden erste Fälle von Rhesusfaktoränderungen beschrieben. Jahrzehnte später klärte Körmöczi den zugrundeliegenden Mechanismus der rätselhaften Rhesusfaktoränderung auf. „Wir konnten vor einigen Jahren entschlüsseln, welche genetische Mutation zur Rhesusfaktoränderung führt. Vor Kurzem haben wir dann wissenschaftlich noch eins draufsetzen können“, freut sich der Forscher.

In der aktuellen Publikation zeigt das Forschungsteam rund um Körmöczi, dass nicht nur blutbildende Stammzellen von der Mutation, die den Verlust des Rhesus-Antigens hervorruft, betroffen sein müssen.

Mutation in unterschiedlichen Stammzellen

„In den allermeisten Fällen beschränkt sich die genetische Veränderung auf blutbildende, sogenannte hämatopoetische Stammzellen. Wir haben aber auch gesehen, dass pluripotente Stammzellen betroffen waren. Also Stammzellen, die sich noch in andere Gewebe außer Blut entwickeln können“, erklärt der Forscher.

Dementsprechend beschreiben die Wissenschaftler in der aktuellen Publikation zum ersten Mal einen Fall, bei dem die Mutation unter anderem auch in Haarwurzelzellen entdeckt wurde. Das deutet laut Körmöczi auf eine genetische Veränderung in unterschiedlichen Entwicklungsstadien der Personen hin und könnte in Zukunft für Bereiche der Altersforschung interessant sein.

Die Wissenschaftler gehen übrigens davon aus, dass die Änderung des Rhesusfaktors von positiv zu negativ bei über 65-Jährigen gar nicht selten ist und in etwa einer von 500 Personen vorkommen könnte.

Geraldine Zenz, Ö1-Wissenschaft

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