Computer besiegt erstmals die besten Pokerprofis

Nach Schach, Go und anderen Brettspielen hat Künstliche Intelligenz (KI) nun zum ersten Mal auch beim Poker die besten Menschen besiegt – und zwar in der Variante „No Limit Texas Hold’em“, dem populärsten Pokerspiel der Welt.

Dabei spielen sechs Spieler nach folgenden Regeln gegeneinander: Jeder bekommt zu Beginn zwei persönliche Karten. Schrittweise werden drei weitere, für alle sichtbare Karten aufgedeckt, und es gibt kein Obergrenze beim Setzen. Aufgrund der zahlreichen Spielstrategien gilt die Pokervariante als besonders komplex und anspruchsvoll – und auch als riskant, weil sowohl hohe Gewinne als auch hohe Verluste möglich sind. Für eine KI ist vor allem die „unsichtbare Information“ – also die unaufgedeckten Karten der Gegner – eine Herausforderung, da diese zum Bluffen einlädt.

Zum ersten Mal hat nun dennoch eine Computersoftware in solch einem Spiel öfter gewonnen als ihre menschlichen Gegner. Das Programm „Pluribus“ von den Forschern Noam Brown und Tuomas Sandholm setzte sich bei über 10.000 gespielten Runden häufiger durch als echte Pokerprofis. Die Wissenschaftler von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh (USA) veröffentlichten die Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Science“ und bezeichneten ihren Erfolg als „Meilenstein“ in der KI-Entwicklung.

Geldjetons und Pokerkarten auf einem Spieltisch

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Training gegen sich selbst – und gegen Menschen

Bisherige Poker-KI hatte sich auf das Besiegen eines einzelnen Gegners beschränkt - darunter die Software „Libratus“ von Brown und Sandholm sowie das Programm „DeepStack“ eines Entwicklerteams von der University of Alberta in Edmonton (Kanada). Spiele mit mehr als zwei Teilnehmern stellen jedoch höhere Anforderungen an den Computer. Brown – der mittlerweile für Facebook arbeitet - und Sandholm entwickelten deshalb eine Software mit dem Namen „Pluribus“, die die Komplexität der Spielsituation reduzieren soll.

„Pluribus“ wurde zunächst erprobt und trainiert, indem es „No Limit Texas Hold’em“ gegen fünf Kopien von sich selbst spielte. Später ließen die Forscher die Software in zwei Varianten gegen Menschen antreten: In der ersten Variante spielte der Computer gegen fünf Pokerprofis. In der zweiten Variante spielte ein Mensch gegen fünf virtuelle Spieler (also Kopien von „Pluribus“). In beiden Konstellationen setzte sich der Computer signifikant öfter durch. Unter den geschlagenen Poker-Profis waren auch der Rekordtitelträger der World Poker Tour, Darren Elias, und der sechsfache Turniersieger der World Series of Poker, Chris Ferguson.

In der Studie ging es nicht um Geld, aber nach Angaben der Forscher hätte „Pluribus“ pro Hand fünf US-Dollar gewonnen, und – bei fünf menschlichen Konkurrenten – pro Stunde 1.000. US-Dollar.

„Deep Blue“ schlug schon vor 20 Jahren zu

„Eine Partie mit sechs statt mit zwei Spielern zu spielen, erfordert grundlegende Veränderungen darin, wie die Künstliche Intelligenz ihre Spielstrategie entwickelt“, sagte Brown. „Von der Performance des Programms sind wir begeistert und wir denken, dass einige der Spielstrategien von ‚Pluribus‘ sogar das Spielverhalten der Profis ändern werden.“

Die Entwicklung der KI hat sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder in spektakulären Wettkämpfen „Mensch gegen Computer“ niedergeschlagen. Vor über 20 Jahren besiegte das Programm „Deep Blue“ den früheren Schachweltmeister Garri Kasparow. Vor drei Jahren war eine Software erstmals beim traditionellen asiatischen Brettspiel Go überlegen. Und vor zwei Jahren dann siegten Computerprogramme für Poker-Partien mit nur zwei Spielern.

Die KI-Forschungen mit Spielen wie Schach, Go oder Poker dienen letztlich auch der Entwicklung von kommerziell verwertbaren Algorithmen, etwa in der Entwicklung von Medikamenten oder der idealen Strategie bei der Versteigerung von Mobilfunklizenzen.

Geldjetons und Pokerkarten auf einem Spieltisch

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Keine freie Software

„Pluribus ist ein sehr harter Gegner“, urteilt Chris Ferguson. „Es ist schwierig, ihn festzunageln, egal mit welchem Blatt“, so der Poker-Profi gegenüber dem US-Magazin „Forbes“. Die Hauptstärke der KI sei ihr Mix an Strategien, ergänzt sein Kollege Darren Elias – diesen würden zwar auch Menschen anstreben, aber nicht in der Konsequenz erreichen.

Wer nun Angst davor hat, beim Onlinepoker auf einen übermenschlichen Gegner zu treffen, kann beruhigt sein. Laut Facebook-Sprecher Ari Entin sei nicht daran gedacht, die Software frei zugänglich zu machen – „um die Community nicht negativ zu beeinflussen“.

science.ORF.at/APA/dpa

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