Touristen als Wildhüter

Touristen gelten in der Wildnis eher als Störfaktor. Dabei könnten sie in Schutzzonen einen wertvollen Beitrag leisten, meinen nun Forscher: Bilder von Fotosafaris ließen sich für die Zählung wilder Tiere nutzen.

Wale im offenen Meer oder Elefanten im Nationalpark - viele wollen im Urlaub wilde Tiere aus der Nähe und möglichst in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten. Dieser Wildtier-Tourismus ist nicht unumstritten, vor allem weil er weltweit zunimmt und die Auswirkungen auf die Tierwelt unklar sind. Andererseits kommt dadurch Geld in abgelegene Regionen. Viele Nationalparks in Afrika sind mehr oder weniger angewiesen auf die Einnahmen durch die Besucher: Sie schaffen Arbeitsplätze und helfen den Betreibern dabei, die Tiere und die Natur – also ihr Kapital – zu schützen. Bei der Überwachung solcher Schutzzonen könnten Touristen aber einen wertvollen Beitrag leisten; nämlich jene, die alles fotografisch festhalten.

Afrikanische Wildhunde

Megan Claase, Rafiq et al./ Current Biology, 2019

Afrikanische Wildhunde

Auf diese Idee kam Studienautor Kasim Rafiq, damals an der Liverpool John Moores University, als er mit seinem Jeep in Botswana unterwegs war und schon seit Monaten nach einem bestimmten Leoparden gesucht hatte. Auf seiner erfolglosen Suche begegnete er ein paar Safari Guides, die das Tier erst am selben Tag gesichtet hatten. Wie er in einer Aussendung erklärt, erkannte er damals, wie viele Informationen und Daten auf den touristischen Streifzügen eigentlich gesammelt werden und in der Regel wieder verloren gehen.

Normalerweise sei die Erfassung und Überwachung von wilden Tieren recht aufwendig, in Afrika setzt man dabei unter anderem auf Spurensuche oder verwendet Fotofallen. Letztere sind laut Rafiq zwar sehr nützlich, wenn es darum geht, die Vielfalt oder die Dichte von Arten zu dokumentieren, aber die Methode ist auch sehr teuer. Nicht selten werden die Geräte von den Tieren beschädigt oder gar zerstört.

Gute Abschätzung

Die immense Anzahl an Bildern, die Touristen tagtäglich auf Fotosafaris machen, könnte hingegen eine preisgünstige Alternative sein. Ob sie auch funktioniert, haben Rafiq und sein Team nun für ihre Studie untersucht, im Okavangodelta in Botswana vom September 2017 bis Februar 2018. Das überwachte Gebiet umfasste 670 Quadratkilometer. Fünf große Fleischfresser standen im Fokus: Löwen, Tüpfelhyänen, Leoparden, Afrikanische Wildhunde und Geparden. Zur genauen Ortung wurden die Touristengruppen mit GPS-Trackern ausgestattet, damit man die Sichtung im Nachhinein genau verorten konnte. Zum Vergleich wurden klassische Überwachungsmethoden angewandt.

Tüpfelhyäne

Megan Claase, Rafiq et al./ Current Biology, 2019

Tüpfelhyäne

Am Ende hatte man mehr als 25.000 Touristenbilder gesammelt. Sie wurden zuerst nach Tierarten sortiert. Anhand des Aussehens, z.B. der Fellmusterung, identifizierten die Forscher einzelne Individuen. Die Fotodaten lieferten bei der Anzahl der Tiere ganz ähnliche Ergebnisse wie die Vergleichsmethoden, zumindest bei Löwen, Leoparden und Wildhunden; bei Hyänen war die Spurensuche etwas besser. Dafür hatten nur die Touristen überhaupt Geparden gesehen.

Beitrag zum Naturschutz

Der große Vorteil der Fotomethode, vorausgesetzt die Touristen wollen auch unentgeltlich mitmachen: Sie ist sehr viel billiger. Der teuerste Teil ist laut Rafiq die händische Sichtung der Fotos. Mittels Methoden der künstlichen Intelligenz lasse sich das in Zukunft wahrscheinlich auch automatisieren. Dann werde die Überwachung noch günstiger.

Gepard in Nahaufnahme

Kasim Rafiq

Gepard in Nahaufnahme

Besonders geeignet sei der Ansatz für charismatische Großtiere, die bedroht sind, z.B. für Tiger in Asien, Jaguar in Mittel- und Südamerika sowie für Buckelwale vor der nordamerikanischen Küste. Sie seien sehr beliebt bei Fototouristen. Wenn die Aufnahmen für Zählungen verwendet würden, hätten Tierliebhaber das Gefühl, sogar einen wertvollen Beitrag geleistet zu haben.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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