Warum der Klimawandel beispiellos ist

„Klimawandel – den gab es doch immer schon!“ Vor allem Klimawandelskeptiker führen dieses Argument immer wieder ins Treffen. Doch dabei übersehen sie einen entscheidenden Punkt: Die aktuelle Erderwärmung ist historisch einzigartig. Und daher auch nicht „natürlich“.

Um das Jahr 1850 war der oft zitierte Messbeginn, da begannen Wissenschaftler, die Lufttemperatur mit Hilfe von Thermometern zu bestimmen und ihre Ergebnisse systematisch niederzuschreiben. Für die Zeiten davor stehen ihnen andere Quellen zur Verfügung – Archive, die die Natur selbst angefertigt hat: Baumringen, Korallenriffen, Gletschereis und Sedimenten sind nämlich die Klimaverhältnisse vergangener Epochen gleichsam eingeschrieben. Sie zeigen, sofern man die Spuren zu entziffern weiß, wie warm oder kalt es im Mittelalter war oder auch noch früher, etwa zur Zeit des Römischen Weltreichs.

Volten der Klimageschichte

Ein Team um Raphael Neukom von der Uni Bern hat nun die größte Datensammlung dieser Art – die „PAGES 2k proxy database“ – für eine Rekonstruktion der letzten 2.000 Jahre ausgewertet. Die Resultate, soeben erschienen im Fachblatt „Nature“ sowie im Schwesterjournal „Nature Geoscience“, werfen Licht auf zwei ziemlich auffällige Volten, die das Klima in diesem Zeitraum gemacht hat. Während der kleinen Eiszeit (15. bis 19. Jahrhundert) sowie während der mittelalterlichen Warmzeit (10. bis 13. Jahrhundert) schlug die Temperaturkurve nach unten bzw. nach oben aus – und zwar von selbst, der Mensch war an diesen Veränderungen nicht schuld.

Temperaturkurve der letzten 2.000 Jahre

CC BY-SA 3.0

Temperaturen auf der Nordhalbkugel von der Antike bis heute

Dieser Umstand wird immer wieder von Klimawandelskeptikern ins Treffen geführt, um den aktuellen Klimawandel kleinzureden, nach dem Motto: Das hat es immer schon gegeben.

Lokal, nicht global

Wenn damit nur der Wandel an sich gemeint ist, stimmt das. Klimaschwankungen gab es immer schon. Aber die Art und Weise, wie sich das Klima gegenwärtig wandelt, ist in der Geschichte einmalig. Das gilt zum einen für das Tempo der Erderwärmung. Und zum anderen, wie nun Neukom und sein Team nachwiesen, für ihre Reichweite: Die kleine Eiszeit war nämlich eine lokal begrenzte Angelegenheit, besonders kalt war es im 15. Jahrhundert etwa bloß im Zentral- und Ostpazifik, im 17. Jahrhundert dann in Nordwesteuropa und dem südöstlichen Nordamerika und erst im 19. Jahrhundert in anderen Weltregionen.

Ähnliches gilt für die mittelalterliche Warmzeit, die zur Zeit ihrer größten Reichweite etwa 40 Prozent der Erdoberfläche betraf. Zum Vergleich: Der Klimawandel der Gegenwart betrifft 98 Prozent der Erdoberfläche. Es wird überall wärmer, gäbe es den Begriff „globale Erwärmung“ nicht, man müsste ihn spätestens nach dieser Studie erfinden. Neukom und sein Team können mit Hilfe ihres Modells auch die wichtigsten Klimafaktoren der letzten 2.000 Jahre benennen. Bis in vorindustrielle Zeit wurden Temperatursprünge vor allem von Vulkanausbrüchen ausgelöst. Erst dann übernahmen die Treibhausgase das Kommando im Weltklima.

Robert Czepel, science.ORF.at

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