Mit „Gütesiegel“ aus Israel?

Heute soll der Historikerbericht zur Geschichte der FPÖ in der Zweiten Republik erscheinen. Lange wurde nach israelischen Experten gesucht, die den Bericht „absegnen“ – ein „politisches Manöver“, wie der Historiker Oliver Rathkolb meint.

Eingesetzt wurde die FPÖ-„Historikerkommission“ im Frühjahr 2018 in Folge der „Liederbuchaffäre“ in der Burschenschaft „Germania zu Wiener Neustadt“ (u.a. wegen des Textes „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“). Mitglied der Burschenschaft war auch der deswegen zurückgetretene und mittlerweile in die Politik zurückgekehrte FPÖ-Spitzenkandidat bei der niederösterreichischen Landtagswahl, Udo Landbauer.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 7.8, 7:00 Uhr.

Die Leitung der Kommission übernahm der frühere FPÖ-Politiker Wilhelm Brauneder. Er setzte im Februar 2018 eine „Referenzgruppe“ ein, der unter anderem Ehrenparteichef Hilmar Kabas, die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller sowie Parteiideologe Andreas Mölzer angehören. Auch sieben Historiker waren laut Brauneder an der Kommission beteiligt. Im Dezember des vergangenen Jahres soll bereits ein erster Zwischenbericht vorgelegen sein.

Rathkolb: „Politisches Manöver“

Danach verzögerte sich dessen Veröffentlichung aber immer wieder. Ein Grund dafür dürfte sein, dass sich die Kommission einen „Koscher-Stempel“ durch unabhängige Wissenschaftler aus Israel besorgen wollte, wie ein Freiheitlicher es im Juli gegenüber der APA ausdrückte, also einen auch medienwirksamen fachlichen „Gütesiegel“.

Nichts davon hält Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien. „Ich kenne keinen einzigen israelischen Historiker oder eine Historikerin, die sich intensiv mit der politischen Geschichte der Zweiten Republik auseinandersetzen, noch viel weniger mit der Geschichte der VDU oder der FPÖ“, so Rathkolb im ZiB2-Interview vom Sonntag. Falls die FPÖ ein derartiges Gütesiegel wolle, solle sie sich in Österreich umsehen, hier gebe es genug Experten und Expertinnen für die Themen. „Ich halte das eher für ein politisches Manöver, das meiner Meinung nach auch nicht gut ankommt.“

Historiker Rathkolb zur Vergangenheitsbewältigung der Parteien

Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien und langjähriger wissenschaftlicher Leiter des Bruno-Kreisky-Archivs, über die braune Vergangenheit von Österreichs Parteien und deren Aufarbeitung.

Hinweis: Die Langfassung des Interviews mit Oliver Rathkolb kann unter „Sendungsbegleitender Inhalt“ aufgerufen werden.

Zwei israelische Wissenschaftler soll es nun geben, die sich zumindest die Kapitel „Antisemitismus“ und „Restitution von jüdischem Eigentum“ des Berichts angesehen haben.

Die Erwartungen sind jedenfalls groß. Anfang April hatte Brauneder versichert, auch Kontakte der FPÖ zur rechtsextremen Identitären Bewegung zu beleuchten. Wie mehrere Freiheitliche bestätigten, hapere es aber bei einem anderen Aspekt: Dem in den vergangenen Jahren wieder zugenommenen Einfluss deutsch-nationaler Verbindungen innerhalb der FPÖ. Die meisten Burschenschaften hätten schlicht kein Interesse an einer Zusammenarbeit.

Rund 1.000 Seiten soll der Bericht haben, heute Nachmittag soll eine umfangreiche Zusammenfassung präsentiert werden.

science.ORF.at/APA

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