Rätsel der springenden Maden gelöst

Die besten Athleten der Welt springen knapp neun Meter weit. Relativ zur Körpergröße würden manche Maden bis zu 70 Meter schaffen. Wie ihnen das gelingt, haben Forscher nun mithilfe genauer Filmaufnahmen herausgefunden.

Dass Insektenlarven hüpfen können, ist seit mehr als 50 Jahren bekannt, sagt Sheila Patek, Studienleiterin und Biologin an der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina. Mit Kollegen hat sie nun untersucht, was die Tierchen genau machen. Mit Elektronenmikroskopen und einer Kamera, die 20.000 Bilder in der Sekunde schießt, verfolgten sie die Sprünge der Larven von Gallmücken (siehe Video).

Dabei zeigte sich, dass die Maden mit dem unteren Körperdrittel ein flüchtiges „Bein“ bilden, mit dem sie sich vom Boden abstoßen. Dieses „Bein“ hat vor dem Absprung ebenso Bodenkontakt wie der Kopf der Made. Die etwa drei Millimeter langen Tierchen bilden eine Art Ring und pressen eine Körperflüssigkeit in das „Bein“, das daraufhin anschwillt und die Körperspannung erhöht. Ab einem bestimmten Schwellenwert, wenn Kopf und „Bein“ nicht mehr am Boden haften, springen die Maden wie eine losgelöste Feder in die Luft.

Deutlich effektiver als Kriechen

In einer Zehntelsekunde erreichen sie dabei eine Geschwindigkeit wie Insekten mit echten Beinen und springen fünf bis zwölf Zentimeter weit - Strecken, die bis zu 36 Mal ihrer Körperlänge entsprechen. Die Richtung ihres Flugs scheinen die Maden nicht beeinflussen zu können, auch ihre Landung ist eher unsicher, wie die Forscherinnen betonen. Die Fortbewegungsmethode bietet aber einen unschlagbaren Vorteil: Im Vergleich zum üblichen Kriechen verbraucht das Springen 28 Mal weniger Energie – und ist deutlich schneller.

Studie

"Adhesive Latching and Legless Leaping in Small, Worm-Like Insect Larvae”, Journal of Experimental Biology, 8.8. 2019

Unter dem Elektronenmikroskop sahen Sheila Patek und ihr Team, dass die Gallmücken das „Ringerlstadium“ vor dem Sprung anders erreichen als andere Maden. Sie verfügen über klebrige, winzige Mikrohaare – ähnlich wie auf den Füßen von Geckos –, mit denen sie den Körper kurzfristig zu einem Ring zusammenkleben.

Die nur einen Mikrometer dicken "Klebehärchen" der Maden unter dem Mikroskop

Grace Farley, Duke University

Die nur einen Mikrometer dicken „Klebehärchen“ der Maden unter dem Mikroskop

Ganz einfach war die Studie nicht, wie die Forscher berichten. Denn die Gallmücken, die mit Goldruten – einer Pflanzengattung aus der Familie der Korbblütler – zusammenleben, vollziehen ihre Sprünge nur sehr selten, jedes Jahr einige Tage im August. Auch die Kamera genau zu justieren, habe viel Geduld erfordert.

YouTube-Video von hüpfenden Maden einer anderen Art in freier Natur:

Von Verwandten der Gallmücke weiß man, dass sie regelmäßig von ihren Stammpflanzen hüpfen, um Plätze am Boden zu finden, wo sie sich verpuppen können. Bei ihnen selbst ist das nicht der Fall, sie verpuppen sich auf der Pflanze. Warum also all diese Sprünge? Genau wissen das die Forscher nicht. Vielleicht handelt es sich um ein Überbleibsel der Evolution, vielleicht wollen sie aber ja auch Fressfeinden entwischen - oder neugierigen Biologinnen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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