Waldbrände und Klimawandel: Ein Teufelskreis

Seit Monaten brennt es in der Arktis, Millionen Hektar Waldfläche stehen in Flammen. Solche Brände gibt es seit Jahrtausenden. Durch die Erderwärmung nimmt die Intensität aber zu - was diese wiederum beschleunigt.

Es seien die schlimmsten Waldbrände aller Zeiten, heißt es. Überprüfen lässt sich das derzeit kaum. Umweltmeteorologe Gerhard Wotawa von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) beschäftigt sich seit 20 Jahren mit Waldbränden in den arktischen Gebieten. Zur Entwicklung der Feuer in Sibirien, wo etwa zwei Drittel der borealen Waldfläche der Nordhemisphäre liegen, gibt es bis heute wenig konkrete Zahlen, so Wotawa.

Denn die russischen Behörden sammeln nur Daten von den Bränden, die sie auch bekämpfen – und das ist nur in der Nähe bewohnter Gebiete der Fall. Statistiken der vergangenen 30 Jahre aus Kanada und Alaska zeigen aber: Das Ausmaß der sommerlichen Waldbrände variiert von Jahr zu Jahr stark.

Brandfläche in Hektar in Kanada

Gerhard Wotawa, ZAMG

Brandfläche in Hektar in Kanada

So sind die diesjährigen Feuer zwar besonders stark, aber nicht so extrem wie etwa in den Jahren 1994 und 1995. Nach einem intensiven Sommer wie 2019 wird auch wieder ein Jahr kommen, wo weniger brennt, weil große Waldflächen dann bereits verbrannt sind, erklärt Wotawa gegenüber science.ORF.at. Lässt man diese natürlichen Schwankungen beiseite und sieht sich die Durchschnittswerte an, zeigt sich jedoch, dass die Brandflächen über die vergangenen Jahre leicht, aber stetig ansteigen. Genauso, wie die Temperatur in diesen Regionen über die letzten Jahrzehnte deutlich angestiegen ist.

Brandgefahr steigt mit Hitze

Schuld daran ist die Erderwärmung, die in der Arktis besonders deutlich zu spüren ist: „Wenn die Welt sich um ein Grad erwärmt - und das war ja die Erwärmung, die wir in den letzten Jahrzehnten global gesehen haben - dann erwärmt sich Mitteleuropa um etwa zwei Grad, und diese arktischen Gebiete erwärmen sich noch einmal doppelt so schnell, also um durchschnittlich drei bis vier Grad“, so der Meteorologe.

Luftaufnahme von Kanada und Alaska

HO / NASA/NOAA / AFP

Luftaufnahme vom 29. Juli zeigt die Rauchwolken der Waldbrände in Alaska und Kanada

Die Hitzerekorde schaffen günstige Voraussetzungen für besonders starke Waldbrände, erklärt Wotawa: „Diese Feuer sind extrem sensitiv auf das Wetter, und steigende Temperaturen führen dazu, dass mehr verdunstet und dass die Bodenfeuchtigkeit abnimmt. Das beobachten wir in Österreich über die vergangenen Jahrzehnte, und das beobachten wir umso mehr in den Polargebieten.“ Zwar entstehen die Feuer meist auf natürliche Weise, durch Blitzeinschläge. Sie können sich infolge der ausgetrockneten Böden aber einerseits schneller verbreiten, und andererseits auch schwerer gelöscht werden. Außerdem entstehen durch die Hitze mehr Wärmegewitter, deren Blitze weitere Feuer auslösen.

Globale Folgen

Die Waldfläche, die über die Sommermonate in der Arktis abbrennt, entspricht ungefähr der Fläche Österreichs. Direkt betroffen sind aber nicht nur die Menschen in den angrenzenden Gebieten: Von Sibirien aus zieht eine Rauchwolke über Asien, die auf einem Gebiet, so groß wie die EU, die Luft langfristig verschmutzt.

Und indirekt betroffen sind nicht nur die Menschen in dieser Region, sondern auf der ganzen Welt. Denn wenn die Wälder in der Arktis über mehrere Monate brennen, können diese Feuer mehr Schadstoffe emittieren als durch menschliche Aktivitäten in großen Industrieländern im selben Zeitraum freigesetzt wird. „Wenn die Brände aufhören, dominiert wieder die Menschheit die globalen Emissionen, aber für ein, zwei, drei Monate dominieren diese Waldbrände“, so der Klimaexperte Wotawa. Und diese Schadstoffe, etwa Aerosole, Kohlenstoff-Monoxid oder Stickoxide erhöhen wiederum den Treibhauseffekt. Kurzum: Wo Wald brennt, setzt er Emissionen frei, anstatt sie zu binden. Die Brände werden also nicht nur vom Klimawandel verstärkt, sie treiben ihn auch weiter voran.

Entwicklung nicht irreversibel

Die großflächigen Feuer effektiv zu löschen, würde einen enormen Ressourcenaufwand bedeuten und ist so gut wie unmöglich. Man beschränkt sich darauf, eine Ausbreitung der Brände in der Nähe von bewohnten Gebieten zu verhindern. Erst starke Regenfälle können die Flammen nachhaltig eindämmen. Abgesehen davon kann man das Problem nur indirekt lösen, meint Wotawa: „Im Grunde kann man diese Brände nur effektiv bekämpfen, indem man die Klimaproblematik nicht außer Kontrolle geraten lässt, also die Erderwärmung möglichst gering hält“.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 13.8., 13:55 Uhr.

Die gute Nachricht: Dafür ist es noch nicht zu spät. „Die Intensität der Brände hängt stark von den Wetterlagen in der Arktis ab. Wenn die Temperaturen sich wieder einpendeln und zurückgehen, gehen wir sehr stark davon aus, dass auch die Waldbrandflächen wieder zurückgehen werden,“ so Wotawa. Vorausgesetzt, dass man jetzt handelt und das Ziel des Pariser Klimaabkommens - eine maximale Erwärmung von 1,5 Grad - nicht überschreitet.

Julia Geistberger, Ö1-Wissenschaft

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