EU wird Risikokapitalgeber

Bis Jahresende soll das EU-Forschungsprogramm „Horizon Europe“ ausgehandelt sein. Die EU wird dabei zum Risikokapitalgeber und sich an Firmen beteiligen, hieß es im Vorfeld der Technologiegespräche in Alpbach, die am Donnerstag begonnen haben.

Nach der politischen Einigung über die Schwerpunkte des Programms müssen die Staats- und Regierungschefs nun die Budgetfrage klären. Die Kommission hat vorgeschlagen, für „Horizon Europe“ 100 Mrd. Euro in den Jahren 2021 bis 2027 aufzuwenden, das Europäische Parlament hat sogar 120 Mrd. Euro gefordert.

Bereits jetzt erfolgen erste Schritte für den Start des Programms im Jahr 2021, etwa eine Pilotphase für den neuen European Innovation Council (EIC), sagte der stellvertretende Generaldirektor für Forschung und Innovation der EU-Kommission, Wolfgang Burtscher, bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der Alpbacher Technologiegespräche. Mit dem EIC soll einer seit Langem bestehenden Schwäche der EU begegnet werden: „Europa hängt bei der Umsetzung von Forschungsergebnissen am Markt hinterher“, so der Physiker und Investor Hermann Hauser. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Beirats des EIC und damit einer von 22 Experten, die den EIC strategisch leiten werden.

“Erstmals direkte Investitionen in Firmen“

Vorbild für den EIC war der European Research Council (ERC), der exzellente Grundlagenforschung in Europa fördert und für Hauser „eine der erfolgreichsten Initiativen ist, die Europa je gestartet hat“. Die simplen Auswahlkriterien des ERC - jeder Wissenschaftler kann einen Antrag stellen und die Auswahl erfolgt nur über die Exzellenz - hat sich der EIC zum Vorbild genommen: „Jede Firma kann einen Antrag stellen, ausgewählt wird nur disruptive, bahnbrechende, marktschaffende Innovationen“, so Hauser.

Technologiegespräche Alpbach

Von 22. bis 24. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion.

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Nach derzeitiger Finanzplanung stehen dem EIC zehn Mrd. Euro zur Verfügung. Damit soll es einerseits nicht rückzahlbare Zuschüsse für Unternehmen in Höhe von bis zu 2,5 Mio. Euro geben. Andererseits ist sogenanntes „blended financing“ geplant, „erstmals in der Geschichte wird es direkte Investitionen in Firmen geben“, so Hauser. Erhofft wird, dass diese Beteiligung von maximal 15 Mio. Euro, die laut Burtscher über die Europäische Investitionsbankengruppe erfolgen soll, als Katalysator für Investments des Markts, also anderer Risikokapitalgeber, wirkt. Aus den zehn Mrd. Euro der EU sollen so 20 bis 40 Mrd. Euro werden, die in marktfähige Innovationen fließen, so Hauser.

Forschung mit hoher gesellschaftlicher Relevanz

Weitere Novität von „Horizon Europe“ ist die sogenannte „Missionsorientierung“, „um die EU-Forschung stärker wirksam und sichtbar zu machen“, sagte Burtscher. Mit dieser missionsorientierten Forschung sollen Ziele mit hoher gesellschaftlicher Relevanz gefördert werden. Mit den Themen Krebs, Klimawandel, gesunden Ozeanen, klimaneutralen Städten sowie Bodengesundheit und Lebensmitteln wurden fünf Missionen definiert, in denen ein großer Bogen von der Grundlagenforschung bis zur Umsetzung gespannt werden soll.

Burtscher veranschaulichte am Beispiel „Krebs“, wie diese missionsorientierte Forschung funktionieren soll. Schon bisher seien zahlreiche Forschungsprojekte im EU-Forschungsprogramm gefördert worden. Nun sollen aber sogenannte „Mission-Boards“ definieren, was in den einzelnen „Missionen“ in den nächsten Jahren erreicht werden soll. Bei Krebs könnte dies etwa das Ziel sein, Kinderkrebs in den Griff zu bekommen. Im Rahmenprogramm sollen dann „gewissenhafter Themen ausgeschrieben und diese aktiver gemanagt werden“. Dabei soll aber auch die Bevölkerung miteinbezogen werden, etwa Patientenorganisationen.

Bisher 1,3 Mrd. Euro nach Österreich

Die Missionen müssten auch national begleitet werden, betonte die Geschäftsführerin der Forschungsgesellschaft (FFG) Henrietta Egerth. Dies betrifft sowohl die Schaffung von Programmen zu Themen, die in Österreich noch nicht so präsent sind, aber auch Regulatorien, wenn es etwa um Klimaschutz geht.

Die bisherige Beteiligung Österreichs bei den Rahmenprogrammen sei eine Erfolgsgeschichte, sagte die Leiterin der Forschungssektion im Bildungsministerium, Barbara Weitgruber. Mit bisher 1,3 Mrd. Euro eingeworbenen Mitteln sei man auf bestem Weg, das ambitionierte Ziel von 1,5 Mrd. Euro zu erreichen. Dies sei „ein substanzieller Betrag für die Forschungsfinanzierung in Österreich“.

Auch Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer ist mit der Einwerbung von Forschungsmitteln zufrieden. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) hätten sich 185 Mio. Euro an „Horizon 2020“-Mitteln gesichert, erklärte Mahrer am Donnerstag in einer Aussendung. „Österreich ist im europäischen Forschungsrennen sehr gut unterwegs“, so das Fazit des WKÖ-Chefs.

science.ORF.at/APA

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