EU-Forschung exzellent, aber unter Druck

Bis Jahresende soll das EU-Forschungsprogramm „Horizon Europe“ ausgehandelt sein. Was die Exzellenz anlangt, ist Europa auf einem guten Weg - doch der Brexit könnte sich noch zu einem gröberen Problem auswachsen.

In den letzten Jahren wurden 17 Prozent vom EU Forschungs-Budget für Grundlagenforschung zur Verfügung gestellt, in den nächsten Jahren erhofft man sich 20 Prozent, erklärt Jean Pierre Bourguignon, Präsident des Europäischen Forschungsrats ERC – jener Einrichtung, die europaweit Grundlagenforschungsprojekte fördert. Wahrscheinlich wird es aber etwas weniger werden. „Derzeit wurde 17,6 Prozent vorgeschlagen. Man muss jetzt warten, bis die endgültige Entscheidung getroffen wird.“

ERC-Präsident Jean-Pierre Bourguignon in Alpbach

ORF - Hans Leitner

ERC-Präsident Jean-Pierre Bourguignon in Alpbach

Neue Gewichtung im EU-Budget

Insgesamt wäre aber immer noch ein ordentliches Plus zu verzeichnen, da in der nächsten Budget-Periode statt 75 nun 100 Milliarden Euro für die Forschung in Europa zur Verfügung stehen sollen. Das hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie viel die Mitgliedstaaten zum EU-Budget beisteuern. Bourguignon zufolge zeigen sich Staaten wie Finnland und Schweden zwar nicht bereit, mehr einzuzahlen in den EU-Topf. Sie sind aber dafür, dass das Gesamtbudget neu gewichtet wird. Das hieße etwa, dass Bereiche wie die Agrarpolitik künftig ein kleineres Stück vom Kuchen bekämen.

Wie sich der Brexit auf das künftige Forschungsbudget auswirken wird, sei nicht absehbar. „Es kann ‚business as usual‘ sein, es kann aber auch eine Katastrophe sein, niemand weiß das", so Bourguignon im ORF-Interview bei den Alpbacher Technologiegesprächen. "Vielleicht wird Großbritannien am Ende noch als assoziiertes Land bleiben. Dann gäbe es fast keinen Unterschied zu heute. Sie werden halt etwas mehr bezahlen müssen.“

Brexit: Britische Exzellenz würde fehlen

Gibt es kein solches Abkommen - wie etwa mit der Schweiz -, würden die Zahlungen von Großbritannien ganz ausbleiben. Für das Budget des Forschungsrats ERC und somit für die Grundlagenforschung in Europa würde aber unterm Strich nicht weniger zur Verfügung stehen, rechnet Bourguignon vor. Aktuell werde nämlich mehr in britische Forschungsprojekte investiert als von Großbritannien eingezahlt.

Technologiegespräche Alpbach

Von 22. bis 24. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion.

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„Britische Projekte werden mit 20 Prozent aus dem ERC-Budget finanziert, Großbritannien steuert aber nur 15 Prozent zum Budget bei.“ Dennoch wäre es ein Verlust für die europäische Forschungslandschaft, die sich gegen Länder wie China, USA und das aufstrebende Südkorea behaupten muss. „Das allgemeine Niveau ist aufgrund der britischen Projekte höher. Wenn wir diese Projekte verlieren, ist das natürlich eine schlechte Nachricht.“ Im Vergleich mit anderen EU-Ländern liefert Großbritannien nämlich die meisten exzellenten Forschungsergebnisse.

Andere Länder holen auf

Noch stehe die europäische Forschung im internationalen Vergleich damit gut da und liege vor Ländern wie China und den USA - zumindest, wenn es danach geht, wie oft die Erkenntnisse weltweit zitiert werden. Das liegt nicht zuletzt auch am Vergabemodell des ERC, der eingereichte Forschungsideen ausschließlich nach ihrer Exzellenz beurteilt, betont Bourguignon. So stuft eine Studie den EU-Forschungsrat als die beste Forschungsförderungsorganisation weltweit ein. „Die Aktivität des ERC hat die Forscher in der EU noch ehrgeiziger gemacht. Sie wollen machen, wovon sie träumen. Sie kommen mit ihren eigenen Ideen zu uns und sind auch bereit, mehr Risiko einzugehen. Solche Forschungen müssen auch in den einzelnen Ländern mehr gefördert werden.“

Die anderen Länder holen aber auf. „Im Jahr 2000 lag der Anteil Chinas an den besten Publikationen im Bereich Biologie bei ca. einem Prozent. Heute sind es etwa zwölf Prozent. Man wird sehen, wie weit das noch geht. Es gelingt China aber, die besten Forscherinnen und Forscher ins Land zu holen. Es geht nicht nur um Geld.“ Die größte Herausforderung der EU-Forschungspolitik sei es deshalb, den Status quo beizubehalten.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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