Mit Wasserstoff aus der Klimakrise?

Klimakrise und Energiewende sind wichtige Themen im aktuellen Wahlkampf. Die ÖVP setzt auf Wasserstofftechnologien, die Emissionen von Verkehr und Industrie reduzieren sollen. Gibt es diese Technologien überhaupt?

Die Treibhausgasemissionen konnten in Österreich seit den 1990er Jahren nicht reduziert werden - gleichzeitig schreitet die Klimakrise voran. Ein Problem, das auch ÖVP-Obmann Sebastian Kurz lösen möchte, wie er beispielsweise im gestrigen ORF-Sommergespräch erläuterte. Mit einem Mix aus kurzfristigen und mittelfristigen Maßnahmen könne man einen entsprechenden Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten, meinte der ÖVP-Politiker. Und dazu zähle er Investitionen in Wasserstofftechnologien.

Nicht effizient genug

Von einer Energiewende mit Wasserstoff war im Wahlkampf bereits öfter die Rede. Österreich solle in den nächsten zehn Jahren zur Wasserstoffnation Nummer eins aufsteigen, mit Förderungen von mindestens 500 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung. Wasserstoff sei der Treibstoff der Zukunft, bis 2025 solle es flächendeckend Wasserstofftankstellen geben.

Zapfsäule einer Wasserstofftankstelle

APA/HANS KLAUS TECHT

Wasserstoff als zukünftiger Treibstoff für Autos? Die Bilanzen sprechen derzeit dagegen.

Doch gerade im Autoverkehr sei es nach jetzigem Stand der Forschung nicht sinnvoll, bei Autos auf Brennstoffzellen, die mit Wasserstoff betrieben werden, zu setzen, sagt Manfred Schrödl, Leiter des Instituts für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der Technischen Universität Wien. „Es ist einfach Faktum, dass die Brennstoffzelle nur circa die Hälfte der Energie des Wasserstoffs als Strom zur Verfügung stellen kann“, so Schrödl im Ö1-Mittagsjournal. Die andere Hälfte gehe zwangsweise verloren.

Elektroauto hat Nase vorn

Elektroautos seien nach wie vor effizienter als Wasserstoff und Brennstoffzelle, sagt Schrödl. Man brauche mit der Brennstoffzelle wesentlich mehr Energieeinsatz für die gleiche Kilometerleistung. Das lässt sich auch berechnen, wie Schrödl in einer Presseaussendung der TU demonstriert: Demnach brauche ein Elektroauto für 100 Kilometer rund 20 Kilowattstunden. Rechnet man zehn Prozent Verluste durch Zwischenspeicherung und Laden hinzu, komme man auf 22 Kilowattstunden, vom Windrad oder der Photovoltaikzelle weg gerechnet.

Ein Wasserstoffauto benötige dagegen für die gleiche Distanz ein bis 1,2 Kilo Wasserstoff, was einem Energieinhalt von 33 bis 39 Kilowattstunden entspricht. Rechnet man auch hier die Verluste hinzu - im ökologisch optimalen Fall der Wasserstoff-Erzeugung mit Hilfe erneuerbarer Energie, zudem Komprimierung und Transport - komme man in Summe auf mindestens 52 Kilowattstunden. Das Elektroauto hat also einen Vorsprung von 30 Kilowattstunden.

Technologien brauchen Zeit

Im Hinblick auf die Klimakrise sei Wasserstoff als Treibstoff also keine geeignete Lösung. Eine Einschätzung, der sich auch der Physiker und Klimaforscher Gottfried Kirchengast vom Wegener Center for Climate and Global Change der Universität Graz anschließt. Die physikalisch-technischen Gesetzen ließen sich nicht brechen, meint Kirchengast. Noch seien Wasserstofftechnologien im Autoverkehr bei Weitem nicht effizient genug.

Ein Bereich, in dem Wasserstoff als Energiequelle jedoch sinnvoll sein könnte, ist nach Ansicht beider Experten die Stahlindustrie: Hier könnte Wasserstoff eines Tages das klimaschädliche Koks im Hochofen ersetzen, sofern es gelingt, einen Energiekreislauf einzurichten, in dem auch die Abwärme des Wasserstoffs genutzt werden kann. Insgesamt könne Wasserstoff bei der Energiewende jedoch nur eine Teilrolle spielen, betont Kirchengast, sicher nicht die Hauptrolle. Und bis zum Jahr 2030 sei mit solchen Technologien nicht zu rechnen.

Marlene Nowotny, Ö1 Wissenschaft

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