Eine Schrift für die Ewigkeit

Die rund 2.000 Jahre alten Qumran-Rollen enthalten einige der ältesten bekannten Bibelschriften. Besonders gut erhalten ist die Tempelrolle: Wie das Pergament so gut überdauern konnte, haben Forscher nun mit Hitech-Werkzeugen untersucht.

Von den meisten der 900 „Qumran-Rollen“, die Mitte des 20. jahrhunderts in elf kleinen Höhlen nahe der Ruinenstätte Khirbet Qumran im Westjordanland entdeckt wurden, gibt es nur noch Fragmente. Die Tempelrolle hingegen ist eine von zwei religiösen Schriften, die sich über zweitausend Jahre hinweg beinah komplett erhalten haben. „Sie ist wirklich eine der schönsten Rollen, die es gibt“, erklärt Ira Rabin, eine der Studienautorinnen von der Universität Hamburg.

Außerdem ist die gut acht Meter lange Pergamentrolle die dünnste aller Schriften und auch ihre Farbe ist besonders. „Mittlerweile ist sie etwas gelblich geworden“, sagt die Chemikerin, “aber am Anfang war sie weiß bis elfenbeinweiß.“ Die anderen Schriften hingegen sind hell- bis dunkelbraun.

Verteilung der Elemente, die in einem Stück der Tempelrolle gefunden worden - dargestellt durch verschiedene Farben

James Weaver, MIT

Verteilung der Elemente, die in einem Stück der Tempelrolle gefunden worden - dargestellt durch verschiedene Farben

Die Rolle aus Tierhaut verblüffte die Forscher aber noch aus einem anderen Grund: „Als man sie aufgemacht hat, sah sie gar nicht wie Pergament aus, die Rolle hatte nämlich eine Art Pflaster.“

Schwefelsalze als Grundierung

Das Pflaster stellte sich im Laufe der Untersuchungen als eine Schicht unterschiedlicher Schwefelsalze heraus. Dieses Gemisch wurde auf das hauchdünne Tierhautpergament aufgetragen, vergleichbar mit der Grundierung einer Leinwand. Wie Maler schrieben auch die Verfasser der Tempelrolle auf die Schicht aus Schwefelsalzen. Damit ist sie unter den 900 Qumran-Rollen, die biblische Texte aus dem antiken Judentum beinhalten, einzigartig.

Die Studie

„The Temple Scroll: Reconstructing an ancientmanufacturing practice“, Science Advances, 6.9.2019

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 9.9., 7 Uhr.

„Wir wissen nicht, woher man das Salzgemisch genommen hat und warum genau man das so gemacht hat. Wir wissen nur, dass es sich dabei nicht um Salz aus dem Toten Meer handelt“, erläutert Admir Masic, einer der Autoren vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Einzigartig ist auch, dass der Text der Tempelrolle nicht auf die behaarte Seite des Tierpergaments geschrieben wurde, sondern auf die Fleischseite. „Praktisch alle Rollen sind auf der Haarseite beschrieben worden, weil es bequemer ist und besser hält. Das ist die einzige Rolle, die wir kennen, die auf der Fleischseite beschrieben ist“, erklärt Ira Rabin.

Dass diese Rolle sich derart von den anderen unterscheidet, ist laut der Chemikerin kein Zufall. Vielmehr deutet es auf eine vielfältige antike Gesellschaft hin, in der es viele Glaubensrichtungen und Techniken zur Pergamentherstellung gab. „Diese Welt vor zweitausend Jahren war sehr viel diverser und komplizierter, als wir dachten. Auch die Technologien waren viel komplizierter und nicht so primitiv.“

Westjordanland als Meltingpot

Die Vielfältigkeit im Zeitalter von Christi Geburt verdichtet sich letztlich am Fundort der Qumran-Rollen. Denn das Westjordanland lag damals kulturell zwischen dem östlichen Babylonien und dem antiken Griechenland. „Es gibt unter den Qumran-Rollen mehrere Rollen, die einzigartig sind – einzigartig gemacht oder einzigartig geschrieben. Dieses Nebeneinander ist letztlich die Entwicklung der neuen Welt.“

Tempelrolle

The Israel Museum

Detailaufnahme der Tempelrolle

Die Tempelrolle, die vom Aufbau eines Tempels im religiösen Sinn erzählt, wurde von einer Sekte verfasst, deren Glaube sich letztlich nicht durchgesetzt hat. Ob es noch mehr solcher Rollen gab, die mit dieser besonderen Technik hergestellt wurden, ist unklar.

Ebenfalls unklar ist, ob die Bearbeitung mit Schwefelsalz die Rolle nicht nur weiß gemacht, sondern auch so gut konserviert hat. „Vermutlich ist das nicht der Grund“, so Masic. Dass sich die Tempel-Schrift rund zweitausend Jahre in einer kleinen Höhle erhalten hat, liegt vermutlich eher daran, dass sie anders als der Großteil der Rollen in ein Tuch gewickelt und in einem Tontopf versteckt wurde. Die Salze könnten aber in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, so Masic: „Sie sind hygroskopisch, sie binden also die Feuchtigkeit. Wir wissen nicht, ob das den Zerfall nun beschleunigen könnte, es ist jedenfalls denkbar.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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