Ungleiche Chancen schon bei der Geburt

Wiegt ein Baby bei der Geburt zu wenig, kann das bereits ein Hinweis auf niedrigen Bildungsstand und geringes Einkommen später im Leben sein: Das Geburtsgewicht hängt mit dem sozioökonomischen Status der Eltern zusammen - und der wird in Österreich vererbt.

Wiegt ein Neugeborenes weniger als zweieinhalb Kilogramm, dann gilt dieses Gewicht laut Weltgesundheitsorganisation WHO als zu niedrig. Denn das niedrige Gewicht kann nicht nur gesundheitliche Folgen wie eine verzögerte kognitive Entwicklung haben. Zumindest statistisch kann es auch ein Hinweis auf den sozioökonomischen Status im restlichen Leben sein. Das zeigt ein Projektbericht des Forschungsinstitut Economics of Inequality der Wirtschaftsuniversität Wien, der im Auftrag des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger erstellt wurde.

Chancen werden bei Geburt vererbt

Ein niedriges Geburtsgewicht könne sehr weitreichende Folgen haben, sagt Eva Six, die den Projektbericht erstellt hat. Und diese seien eng miteinander verbunden: Ein niedriger Bildungsstand führt fast immer zu einem geringen Einkommen, damit verbunden ist eine schlechtere Gesundheit, u.a. weil das Geld für Gesundheitsausgaben fehlt. „Das geht so weit, dass es nicht bei einer Generation bleibt, sondern über die weiblichen Nachfahren über mehrere Generationen weitervererbt wird“, erklärt Six.

Der finazielle Druck verursacht bei den werdenden Müttern Stress, Angst, mitunter auch Depressionen. Sie haben weniger Geld für Wohnen und Ernährung zur Verfügung. All das führt wiederum dazu, dass die Babys mit einem niedrigen Gewicht zur Welt kommen.

Soziale Mobilität stagniert in Österreich

In Österreich werden 6,4 Prozent der Babys mit einem zu niedrigen Geburtsgewicht geboren. Eine Quote, die knapp unter dem OECD-Schnitt von 6,5 Prozent liegt und besser sein könnte, mein Six. Es gebe einige Länder, insbesondere nordeuropäische Länder wie Island, Schweden, Dänemark, Norwegen, die mit Werten von fünf Prozent doch deutlich darunter liegen.

In diesen Ländern sei die soziale Mobilität innerhalb der Gesellschaft wesentlich höher als in Österreich, sagt die Ungleichheitsforscherin. „Das bedeutet, dass der Status der Eltern nicht so einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Kinder hat, wie es zum Beispiel in Österreich der Fall ist.“

In Mütter und Kinder investieren

Gesundheit, Bildung und Einkommen werden in Österreich weitgehend vererbt. Aber es gebe Möglichkeiten, diesen Kreislauf zu durchbrechen, so Six. Etwa, in dem man ärmere Familien bei den Gesundheitsausgaben unterstützt, die Betreuung der Mütter im Rahmen des Mutter-Kind-Passes vor und nach der Geburt ausweitet und in hochwertige Kinderbetreuungsplätze investiert.

Gerade der frühkindlichen Förderung misst Six einen entscheidenden Stellenwert zu: Die Mütter würden entlastet, könnten arbeiten und ihr Einkommen verbessern. Gleichzeitig würden die Kleinkinder von Pädagoginnen und Pädagogen betreut. Ein System, das man beispielsweise in skandinavischen Ländern findet.

Förderung würde sich auszahlen

Investitionen in die Gesundheit von Babys bei der Geburt würden sich langfristig auszahlen, heißt es im Bericht der Wirtschaftsuniversität. „Wenn alle Menschen ihre Fähigkeiten gut entwickeln können, werden einerseits die direkten Gesundheitsausgaben reduziert, aber auch indirekte Kosten in Form von Erwerbsausfällen etc.“, erläutert Six.

In Frühförderung zu investierten, ist eine Forderung, der sich auch die österreichischen Armutskonferenz anschließt. Österreich hinke in diesem Bereich im internationalen Vergleich hinterher. Länder wie Norwegen oder Schweden seien hier Vorbilder: Sie investieren in die frühkindliche Entwicklung und weisen folglich eine wesentlich höhere soziale Mobilität auf als Österreich.

Marlene Nowotny, Ö1 Wissenschaft

Mehr zu dem Thema: