Atomkern-Uhr: Eine Revolution bahnt sich an

Wenn es um exakte Messung der Zeit geht, ist die Atomuhr das Maß aller Dinge. Doch die Technologie ist noch nicht ausgereizt, Atomkerne könnten noch viel präziser ticken: Nun ist Physikern ein entscheidender Schritt in diese Richtung gelungen.

Für eine solch neuartige Uhr braucht es einen Taktgeber, der dem Atomkern sozusagen innewohnt. Schon seit einiger Zeit setzen Wissenschaftler in diesem Zusammenhang auf das Element Thorium. Das liegt daran, dass die Kerne des Thorium-Isotops 229 offenbar energetische Zustände einnehmen können, die sehr nahe beisammen liegen - die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Atomkern-Uhr, wie es am Mittwoch in einer Aussendung der Technischen Universität (TU) Wien hieß.

Nature-Cover vom 11.9.2019

Nature

Die Experimente sind Coverthema im dieswöchigen „Nature“

Gesucht: Der Isomerzustand

„Knapp über dem Grundzustand - also dem Zustand mit der kleinstmöglichen Energie - gibt es erstaunlicherweise einen weiteren Kernzustand, den wir Isomer nennen“, so Thorsten Schumm vom Atominstitut, der an zwei nun vorgestellten Experimenten beteiligt war. Thorium-229 dürfte tatsächlich der einzige Atomkern sein, der den Isomerzustand auf derart niedrigem Energieniveau einnimmt.

Nach so engen energetischen Nachbarn suchen die Wissenschaftler. In bisherigen Atomuhren nutzen sie Elektronen, die sich zwischen nahe beisammen liegenden Energiezuständen bewegen können.

Das vor allem für die Grundlagenforschung relevante Problem dabei ist, dass die exakte Messung dieser Elektronen-Übergänge etwa durch äußere Magnetfelder gestört werden kann. Darüber hinaus lassen sich Atomkern-Zustände insgesamt besser vermessen.

Experimente geben Hoffung

Auf die Suche nach dem ominösen Thorium-Isomerzustand, dessen exakter Energiewert bisher unbekannt war, machten sich die Teams aus Deutschland und Japan jeweils mit TU-Wien-Beteiligung mit zwei verschiedenen Experimenten: Mit dem ersten Aufbau wurde in Deutschland von Benedict Seiferle und Kollegen jene Energie gemessen, die in Form eines Elektrons abgegeben wird, wenn Thoriumkerne vom angeregten in den energetisch niedrigsten Kernzustand wechseln.

Den quasi umgekehrten Weg ging das japanische Team um Takahiko Masuda, indem es Thorium-229-Atome mit hochenergetischen Röntgenstrahlen in ihren zweiten, hochangeregten Zustand versetzte. Von dort ausgehend wechselten die so behandelten Atome dann vorwiegend in den gesuchten Isomerzustand, für den sich die Forscher interessierten. So konnte dieser vermessen werden.

Jetzt sei einerseits klar, dass es den vermuteten Zustand gibt, andererseits wisse man auch relativ genau, bei welcher Energie er auftritt. Bis zum Bau einer ersten Atomkern-Uhr müsse man den Isomerzustand allerdings noch präziser festmachen. „Die Resultate von Masuda und Seiferle und Kollegen sind entscheidende Schritte dorthin“, konstatiert der Kernphysiker Jason Burke in einem Ausblickartikel in „Nature“.

Eine funktionierende Atomkern-Uhr verheißt jedenfalls neue Erkenntnisse bei der Suche nach der mysteriösen Dunklen Materie. Auch die Vermessung der winzigen Unregelmäßigkeiten im Schwerefeld der Erde oder die Satelliten-Navigation könnten damit entscheidend verbessert werden.

science.ORF.at/APA

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