Vorläufer von Alexa, Siri und Co.

Computerstimmen sind heute weit verbreitet. Doch so etwas Ähnliches gab es schon im 18. Jahrhundert: Die Kempelen’schen Sprechmaschinen ahmten die menschliche Stimme erstmals überzeugend nach. Fünf Nachbauten davon sind nun in Wien zu sehen.

Eine Hand hält den Trichter, die andere drückt Knöpfe um die Stimmlippen anzupassen, während der freie Arm den Blasebalg drückt – ein „A“ ertönt. Das „M“ sitzt auch ganz gut, wenn der Gummitrichter richtig geformt wird. Ein „I“ ist schon schwieriger, denn die Zunge fehlt im Kempelenschen Sprechapparat, und mit dem Finger ist es gar nicht so leicht, die richtige Zungenstellung nachzuahmen. Wie gut eine solche Sprechmaschine Wörter wie „Mama“ oder „Mami“ sagen kann, hängt sehr von der Virtuosität der Spielerin oder des Spielers ab, erklärt Michael Pucher vom Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: “Die Sprechmaschinen sind schon stark eingeschränkt in der Aussprache. Bei ganzen Sätzen ist es gut, wenn man vorher schon den Satz weiß, dann versteht man ihn vielleicht.“

Ein Kind der Aufklärung

Die Maschine beeindruckt also weniger durch ihre Natürlichkeit als durch ihre Leistung in der Wissenschaftsgeschichte. 1791 legt der Österreicher Wolfgang von Kempelen mit der Sprechmaschine und einem Begleitbuch die Ursprünge des Forschungsfeldes der Sprachsynthese. Seine Sprechmaschine bildete das erste Mal den menschlichen Sprechapparat nach, mit einem Quasi-Mund und Lippen aus Gummi, Stimmlippen aus Kupfer oder Elfenbein in einem Kehlraum und einem Blasebalg als Lunge.

Konferenz

„Meeting of Kempelen machines“: 12.9., ab 16h, Angewandte, Expositur Heiligenkreuzerhof, Schönlaterngasse 5, 1. Stock, 1010 Wien

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 12.9., 13:55 Uhr.

Dass der menschlichen Sprache Universalien zugrunde liegen, dass ein Mund alle Töne aller Sprachen machen können sollte, das war kein selbstverständlicher Gedanke – die Sprechmaschine und die wissenschaftlich-rationale Ideologie dahinter ist ein Kind der Aufklärung. Kempelen stützt sich auf Physiologie und Eigenexperimente, um die Maschine zu entwerfen. Ein bisschen wohl auch um sich zu rehabilitieren, meint Pucher, nachdem von Kempelens „Schachtürke“ - ein Automat, der angeblich eigenständig Schach spielen können sollte - als trickreiche Täuschung entlarvt worden war.

Einer der Nachbauten der Sprechmaschine

Deutsches Museum

Nachbau der Sprechmaschine

Quellefilter, mechanisch oder digital

Erstmals kommen nun fünf Nachbauten der Kempelenschen Sprechmaschine aus ganz Europa in Wien zusammen, im Vorfeld einer sehr modern ausgerichteten Tagung , bei der man sich über digitale Sprachsynthese im Zeitalter von Alexa und Siri austauscht. Das, was sich vielleicht noch ähnelt, meint Michael Pucher, ist, dass heute wie damals ein Quellefilter zur Anwendung kommt.

Die Quelle ist bei Kempelen wohl der Blasebalg, bei digitalen Stimmen eher die Sinuswelle. Die Filter, mechanisch oder digital, verändern dann das Ursprungssignal so, dass es nach Sprache klingt. Probleme macht beiden Modellen die sogenannte Ko-Artikulation, also der Übergang von einem Ton zum nächsten.

Und so wie Wolfgang von Kempelen mit besseren Materialien vielleicht bessere „Filter“ hätte bauen können – wie das einige der Nachbauten versucht haben -, so ist die Wissenschaft auch daran, mehr Daten zum Sprechen zu sammeln, um die digitalen Modelle zur Sprachsynthese zu verfeinern.

Michael Pucher sucht mit seinen Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Schallforschung beispielsweise derzeit die Zungenbewegungen beim Sprechen mit Ultraschall, auch um die digitalen Filter weiter verbessern zu können. So oder so, meint er, sehe man vom 18. Jahrhundert an, wie lange es dauert, von der Theorie zur Praxis zu kommen.

Isabella Ferenci, Ö1-Wissenschaft

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