Geflüchtete Lehrkräfte: Großer Bedarf, wenig Geld

170.000 Menschen haben in Österreich seit 2015 einen Asylantrag gestellt – darunter auch zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer. Ihnen bietet die Uni Wien einen Kurs an, damit sie unterrichten können. Zweimal hat er stattgefunden, eine Neuauflage wackelt trotz großen Interesses.

Rund 50 Menschen würden gerne am nächsten Zertifikatskurs für Lehrkräfte mit Fluchthintergrund teilnehmen. Viele bringen gute Voraussetzungen mit, sagt der wissenschaftliche Lehrgangsleiter Gottfried Biewer vom Institut für Bildungswissenschaften der Universität Wien: „Sie haben teilweise ein höheres Sprachniveau als bei den vergangenen Kursen. Viele sind schon seit 2015 in Österreich und hatten mehr Zeit, Deutsch zu lernen.“

Mehr Selbstbewusstsein durch Sprache

Rund 70.000 Euro braucht die Universität, der eben abgeschlossene zweite Durchgang war nur durch Spenden von Privatpersonen möglich. Im Kurs lernen geflüchtete Lehrerinnen und Lehrer das heimische Bildungswesen kennen und vertiefen ihre pädagogischen Kenntnisse. Bisher haben 45 Männer und Frauen den Kurs absolviert, viele arbeiten jetzt an einer Mittelschule, so Projektleiterin Michelle Proyer: „Viele haben eine volle Lehrverpflichtung, was auch bedeutet, dass sie in den Mittelschulen teilweise andere Fächer unterrichten müssen. Das ist natürlich eine Herausforderung, aber die Erfahrungen zeigen, dass es wirklich gut funktioniert. Einige, die gleich nach dem Kurs angestellt wurden, wurden jetzt wieder verlängert.“

Ö1 Sendungshinweis:

Über das Thema berichten auch Journal und Nachrichten am 23.9.2019.

Das zweite große Arbeitsgebiet neben der Mittelschule ist die Nachmittagsbetreuung in Volksschulen. Die Lehrpersonen unterstützen die Kinder beim Lernen – aber nicht nur das, so Michelle Proyer: „Es wird als sehr positiv wahrgenommen, dass die Kollegen und Kolleginnen bei Elterngesprächen helfen können. Es war für viele ein großer Schub an Selbstbewusstsein, dass sie gemerkt haben: Ich habe eine Kompetenz, die in der Schule gebraucht wird und die ansonsten niemand einbringen kann.“

Viele Menschen aus Syrien

Die große Mehrheit der geflüchteten Lehrerinnen und Lehrer kommt aus Syrien, vergleichsweise wenige kommen aus dem Iran und Irak. „Die Menschen, die 2015 und 2016 aus Syrien nach Österreich gekommen sind, waren oft gut ausgebildete Intellektuelle aus der Mittelschicht. Nicht nur sie kommen an unseren Schulen zurecht, auch ihre Kinder sind sehr erfolgreich“, so Gottfried Biewer. Damit geflüchtete Menschen am Kurs der Uni Wien teilnehmen dürfen, müssen sie gute Deutschkenntnisse mitbringen und ein in Österreich gefragtes Fach - Mathematik etwa oder Naturwissenschaften.

Das Interesse der Schulen an Lehrpersonen mit Fluchterfahrung ist nach wie vor groß. Ob weitere Lehrkräfte ausgebildet werden können, ist derzeit allerdings unsicher, weil die Finanzierung wackelt. Gottfried Biewer: „Es könnte eine öffentliche Finanzierung geben, sie ist aber noch nicht endgültig entschieden. Wir hoffen darauf, dass wir im November, spätestens im Dezember mit einem weiteren Kurs starten können.“

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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