Hochalpine Pflanzen reagieren mit Verspätung

Unter der Erwärmung im Alpenraum leiden auch viele Pflanzen. Wie eine Studie nun zeigt, reagieren sie allerdings mit Verzögerung. Vor allem in hohen Lagen, halten sich einige Arten noch, obwohl die Bedingungen für sie sehr ungünstig sind.

Für ihre Arbeit haben die Wissenschaftler um Sabine Rumpf und Stefan Dullinger von der Universität Wien zusammen mit Kollegen der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) Daten zum Auftreten von Pflanzen von mehr als 1.500 Untersuchungsflächen in Österreich, der Schweiz, Italien, Slowenien und Deutschland aus den Jahren vor 1970 sowie den Jahren 2014 und 2015 analysiert. Daran konnten sie ablesen, wie sich die Zusammensetzung der jeweiligen Flora verändert hat. Sie verglichen diese Beobachtungen mit den aufgrund des Klimawandels zu theoretisch erwartenden Veränderungen.

Eine Bergwiese im Schweizer Nationalpark – auch die Alpenflora ist vom Klimawandel betroffen.

Sabine Rumpf

Eine Bergwiese im Schweizer Nationalpark – auch die Alpenflora ist vom Klimawandel betroffen.

Die Frage dahinter war, ob die Natur mit den in evolutionären Maßstäben unmittelbaren Umwälzungen mithalten kann, indem beispielsweise Pflanzen, denen es in ihrem angestammten Lebensraum zu warm wird, in höhere, noch kühlere Lagen wandern. Bei vielen der 135 genauer untersuchten Gebirgspflanzen sei nämlich anzunehmen, dass ihre Biologie sie solche Höhenwanderungen nicht zeitgerecht absolvieren lässt, heißt in einer Aussendung der Uni Wien.

Viele Arten harren aus

Einen den Temperaturen folgenden Direktaufstieg machte demnach kaum eine Pflanzen mit: „Sechzig Prozent der Arten sind noch auf Flächen zu finden, die ihnen klimatisch nicht mehr zusagen, 38 Prozent haben nicht alle Flächen besiedelt, die inzwischen ein geeignetes Klima bieten würden, und nur für sieben Prozent haben wir keine Indizien für Verzögerungen in die eine oder in die andere Richtung beobachtet“, so Rumpf.

Viele Arten harren also in ihren angestammten Höhenlagen auch unter widrigen Bedingungen aus. Das gehe für viele Pflanzen vermutlich nicht auf Dauer gut: „Verzögerte Anpassung bedeutet, dass wir auf der Basis heutiger Beobachtungen dazu tendieren, das volle Ausmaß der Konsequenzen des Klimawandels zu unterschätzen. Problematisch ist das besonders dort, wo Populationen aufgrund der bereits heutigen klimatischen Bedingungen erst in der Zukunft, vielleicht erst in Jahrzehnten aussterben werden“, so Dullinger.

Am tiefsten in dieser sogenannten „Aussterbeschuld“ stehen demnach die an die höchsten alpinen Lagen angepassten Arten. Diesen fehlen nämlich schlichtweg die Fluchtwege in noch höhere Gefilde. Sie werden in Zukunft am ehesten auch durch den Klimawandel verschwinden. Ein Gutes habe die vielfach langsame Reaktion von Pflanzen jedoch auch. Je länger sie ausharren, umso größer wird ihre Chance, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. Gelingen könne ihnen das aber nur dann, wenn die Erwärmung endlich eingebremst werde und sie zumindest mit stabilem Klima konfrontiert wären.

science.ORF.at/APA

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