Von wegen unnahbar

Im Gegensatz zu Hunden gelten Katzen als unabhängig und eigensinnig. Zu Unrecht, schreiben US-amerikanische Verhaltensforscherinnen im Fachblatt „Current Biology“: Die Bindungsfähigkeit von Katzen wurde unterschätzt.

In der wissenschaftlichen Literatur hat der Hund eindeutig die Nase vorne. Das Verhalten von Canis lupus familiaris, wie der Haushund im Lateinischen heißt, wurde bereits ausgiebig untersucht, bei der Hauskatze indes ist die Zahl der einschlägigen Studien überschaubar.

Vielleicht hat das auch mit dem alten Klischee zu tun, dem zufolge Hunde die einzigen „echten“ Freunde des Menschen sind, im Sinne von: immerzu loyal und fähig, sich in den Familienverband einzugliedern. Womit ex negativo auch die Definition der Katze gegeben ist: Sie kann charmant und verspielt sein, zärtlich auch – aber irgendwie scheint sie immer einen Rest von Distanz zu wahren. Stimmt das? Krystin Vitale ist da anderer Ansicht.

Versuch: Wie sicher fühlt sich das Tier?

Die Biologin von der Oregon State University hat nun folgendes Experiment durchgeführt: Katzenbesitzer und -besitzerinnen betreten mit ihrem Haustier einen unbekannten Raum, bleiben dort gemeinsam zwei Minuten; dann lassen sie das Tier zurück und betreten den Raum nach zwei Minuten noch einmal; dann beginnt der eigentliche Test: Wie reagiert das Tier auf die Trennung in ungewohnter Umgebung?

Frau streichelt rote Tigerkatze

APA/AFP/JOSEPH EID

„Secure Base Test“ heißt dieses Experiment, mit dem Verhaltensforscher untersuchen, wie stabil die Bindung zwischen Mensch und Tier ist. Ist die Bindung unsicher, reagiert das Tier nach der Rückkehr des Menschen gestresst. Katzen beispielsweise zucken dann nervös mit ihrem Schwanz, egal, ob sie bei ihren Besitzern Schutz suchen oder Distanz halten. Das war bei 34 Prozent aller untersuchten Katzen der Fall, berichtet Vitale im Fachblatt „Current Biology“.

Der Rest, also 66 Prozent, entspannte sich sogleich nach der Rückkehr von „Herrl“ oder „Frauerl“ und begann, den unbekannten Raum zu erkunden.

Gestresste Katzen sind scheu

Der gleiche Versuch wurde auch schon mit Hunden, Primaten und Kindern durchgeführt, bemerkenswerterweise sind die Prozentsätze bei Kindern fast ident (65 zu 35 Prozent) und bei Hunden sehr ähnlich (58 zu 42 Prozent). Vitale schließt daraus: Katzen sind sehr wohl zu Bindungen fähig und von ihren Besitzern ebenso abhängig wie Hunde. Sie zeigen es bloß anders.

Dass Katzen mitunter reserviert wirken, will die Verhaltensforscherin nicht abstreiten. Ein Widerspruch zu den Versuchsergebnissen sei das freilich nicht: „Wenn Katzen unsicher sind, laufen mache von ihnen eben weg, andere scheinen auch unnahbar. Das hat zu der einseitigen Annahme geführt, alle Katzen würden sich so verhalten.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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