Forscher lösen Rätsel um weiblichen Orgasmus

Biologisch betrachtet sollten alle – oder zumindest die meisten - Eigenschaften des menschlichen Körpers auch einen Zweck haben. Wie ist das beim weiblichen Orgasmus? Eine Studie im Fachblatt „PNAS“ liefert überraschende Antworten.

Aus evolutionsbiologischer Sicht ist die Existenz des weiblichen Orgasmus gar nicht so einfach zu erklären: Einerseits trägt er nicht zwingend zum Fortpflanzungserfolg bei, andererseits ist er zu komplex, um als „evolutionärer Unfall“ durchzugehen, schreibt der aus Österreich stammende Evolutionsbiologe Günter Wagner (Yale University) in seiner Studie.

Beine und Füße eines Paares im Bett

APA/dpa/Christophe Gateau

Das Fehlen einer - zumindest biologisch - auf der Hand liegenden Begründung für den weiblichen Höhepunkt habe zu vielen vorgeschlagenen evolutionären Erklärungen geführt, von denen „die meisten aber empirisch wenig untermauert“ seien.

Eine vielversprechende Theorie aus der Feder Wagners und der mittlerweile an der Universität Wien tätigen Ko-Studienautorin Mihaela Pavlicev besagt hingegen, dass jener Mechanismus, der bei vielen Säugetieren bei der Kopulation einen Eisprung auslöst, die Grundlage für die Vorgänge beim weiblichen Orgasmus darstellt.

Experimente an Hasenweibchen

Diesen durch Geschlechtsverkehr ausgelösten Eisprung (Ovulation) gibt es beispielsweise bei Hasen, Katzen, Frettchen oder Kamelen, bei anderen Arten, wie Menschenaffen und Menschen jedoch nicht - oder eben nicht mehr. Denn der einem mehr oder weniger stabilen Zyklus folgende Eisprung kam evolutionär gesehen erst später.

Bei Hasen, Frettchen und Co von einem „Orgasmus“ zu sprechen sei zwar „schwierig, weil das immer subjektiv definiert wird“, so Wagner gegenüber der APA. Der möglichen Verbindung zwischen dem Mechanismus der durch Geschlechtsverkehr ausgelösten Ovulation und dem weiblichen Orgasmus ging das Team um Wagner und Pavlicev in einem Versuch jedenfalls nach.

Das Team gab den Tieren über zwei Wochen hinweg den Serotonin-Aufnahmehemmer Fluoxetin, ein Antidepressivum, das beim Menschen die Orgasmusfähigkeit stark vermindert und vergleichbare Reaktionen bei weiblichen Hasen unterbinden kann. Danach kam es zur Kopulation. Am Tag danach hatten die so behandelten Tiere tatsächlich um rund 30 Prozent weniger Eisprünge als die Kontrollgruppe.

Die Spur führt zum Eisprung

In einem weiteren Experiment verabreichten die Forscher Hasenweibchen ebenfalls Fluoxetin und lösten dann durch eine Injektion mit dem Sexualhormon Humanes Choriongonadotropin einen Eisprung aus. Es zeigte sich, dass nicht das Antidepressivum die Ovulationsrate signifikant reduzierte, sondern offensichtlich der fehlende „Orgasmus“.

Die Evolutionsbiologen werten ihre Ergebnisse als starken Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen jenem Mechanismus, der bei Hasen den Eisprung durch Geschlechtsverkehr auslöst, sowie jenen Abläufen, die bei Frauen zum Höhepunkt führen. Das deute wiederum auf einen gemeinsamen evolutionären Ursprung hin. Es scheine, als hätte der weibliche Orgasmus also sehr tief liegende entwicklungsgeschichtliche Wurzeln, schreiben die Wissenschafter in ihrer Arbeit.

science.ORF.at/APA

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