Nachwuchs raubt Hummeln den Schlaf

Frischgebackene Eltern kennen das: Ein Säugling, der mitten in der Nacht schreit oder hungrig ist – an Schlaf ist kaum zu denken. Biologen weisen nach: Ähnlich geht es Hummeln, wenn sie die Brut im Nest betreuen.

Manchen reichen wenige Stunden, andere brauchen fast den ganzen Tag, aber alle Tiere schlafen, Menschen genauso wie Insekten. Ob das tatsächlich lebensnotwendig ist, weiß man letztlich nicht. Fix ist jedoch: Unter Schlafentzug leiden alle, geistig wie körperlich. Dennoch – wenn es notwendig ist bzw. nicht anders geht – kommen viele Tiere mit viel weniger Schlaf aus als normalerweise – anscheinend ganz ohne schwerwiegende Folgen, z.B. Zugvögel bei ihrer saisonalen Wanderung.

Die Forscher um Moshe Nagari von der Hebräischen Universität in Jerusalem haben nun ein weiteres Beispiel dafür gefunden, dass Schlafmuster weitaus weniger starr sind als gemeinhin angenommen. Im Mittelpunkt ihrer soeben erschienenen Studie standen Hummeln. Wenn Insekten schlafen, hören sie - ähnlich wie Menschen und andere Tiere - auf sich zu bewegen, sie nehmen eine typische Schlafhaltung ein und reagieren weniger auf Lärm und Berührung. Wenn man Hummeln absichtlich am Schlafen hindert, schlafen sie anschließend länger als sonst – vermutlich, um das Defizit wieder wettzumachen.

Rolle prägt Schlafverhalten

Wie das israelische Team bereits früher beobachten konnte, hängt das Schlafverhalten des staatenbildenden Insekts aber auch von der Rolle im Nest ab: Tiere, die vor allem für Futtersuche zuständig sind, haben einen relativ strikten Tag-Nacht-Rhythmus. Arbeiterinnen, die sich der Brutpflege widmen, sind hingegen sehr viel wach. Das bestätigte auch die aktuelle Untersuchung.

Hummelkönigin und Arbeiterinnen kümmern sich um die Brut

Rachel Rosen

Hummelkönigin und Arbeiterinnen kümmern sich um die Brut

Dafür wurde das Verhalten der Hummeln – unter anderem durch Videoaufzeichnungen - im Detail analysiert. Diese zeigen: Sogar in der Puppenphase, in der der Nachwuchs gar nicht gefüttert werden muss, schlafen die verantwortlichen Tiere kaum. Dabei handelt es sich nicht einmal um ihren eigenen Nachwuchs. Dass dieser seine Mütter wachhalten kann, kennt man beispielsweise auch von Menschen und Ratten – die hilflosen Babys bzw. der frische Wurf verlangen aber meist recht deutlich oder lautstark nach Zuwendung. Die stillen Larven und Puppen müssen ihre „Nannys“ auf andere Weise vom Schlafen abhalten. Wie die Experimente nahelegen, gelingt ihnen das mittels Pheromonen, also Duftstoffen, die die Interaktion zwischen Individuen steuern bzw. beeinflussen.

Optimale Brutbedingungen

Warum die Arbeiterinnen auch in der Puppenphase wach bleiben müssen, erklären sich die Autoren folgendermaßen: Die pflegenden Hummeln müssen sich wahrscheinlich um das Mikroklima, z.B. die Temperatur, kümmern, denn nur bei optimalen Bedingungen kann sich die Brut auch optimal entwickeln. Hinter den mütterlichen Instinkten vermuten die Forscher evolutionäre Gemeinsamkeiten mit den Königinnen, aus einer Zeit, als die Hummeln noch solitär lebten.

Interessanterweise hinterließ der Schlafmangel während der Brutpflege keine sichtbaren Nachwirkungen bei den Arbeiterinnen. Zumindest schliefen sie danach nicht mehr als sonst, hatten also kein Defizit zum Aufholen. Offenbar, so die Forscher, verfügen die Tiere über die Fähigkeit, temporär auf viel Schlaf zu verzichten, ohne dass sie dadurch in irgendeiner Weise leiden.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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