Eine App gegen Alzheimer

Für Alzheimer-Demenz gibt es zurzeit noch keine wirksame Behandlung. In einer Studie wird nun untersucht, ob multimodales Training - also geistige und körperliche Aktivierung – mit Hilfe einer App das Fortschreiten bei bereits erkrankten Menschen eindämmen könnte.

In Österreich leben aktuell etwa 130.000 Personen mit Demenz, bis 2050 könnte sich diese Zahl mit der steigenden Lebenserwartung verdoppeln. Eine wirklich wirksame Therapie gibt es bisher nicht, das wollen steirische Wissenschafterinnen nun ändern. Joanneum Research Digital in Graz setzt gemeinsam mit Partnerinstitutionen auf eine multimodale Lösung, um die kognitive Leistungsfähigkeit dementer Personen zu steigern.

Die Mischung macht’s

„Aus anderen Forschungsarbeiten ist bereits bekannt, dass multimodales Training, bei dem Körper und Geist gleichermaßen aktiviert werden, bei Demenz sehr wirksam ist“, erzählt Maria Fellner von Joanneum Research Graz. Ihr Team hat in Zusammenarbeit mit dem Sozialverein Deutschlandsberg eine Tablet-App entwickelt, die Gedächtnis- und Wahrnehmungsübungen gezielt mit Bewegung verbindet.

Durch die vielseitige Anregung soll das technikunterstützte Training den Verlauf von Alzheimer-Demenz positiv beeinflussen. Laut Fellner wirken dabei die Bewegungsaufgaben beispielsweise auf Grobmotorik, während Quizfragen das Langzeitgedächtnis fordern und Puzzles das visuelle Gedächtnis trainieren. Damit ließe sich die Erkrankung zwar nicht zur Gänze aufhalten, aber potentiell verlangsamen und vor allem die Lebensqualität erhöhen, so Fellner weiter.

Jedes Training beginnt mit drei videoangeleiteten Bewegungsübungen, die Schritt für Schritt Beweglichkeit, Kraft und Koordination verbessern sollen. Nach dieser Aufwärmphase werden Gedächtnisübungen zu einem frei wählbaren Themenblock, etwa „Berufe“, angeboten. Ein Beispiel: Warum hat der Rauchfangkehrer den Ruf ein Glücksbringer zu sein? Ähnlich wie bei der Millionen Show gibt es auch hier mehrere Antwortmöglichkeiten.

Spielerische Aufgaben werden ebenfalls gestellt, neben Lückentexten und Geräuschbeispielen gibt es Fehlersuchbilder. Maria Fellner ist von der Wirksamkeit überzeugt: „Das multimodale Training hat viele Vorteile, unter anderem dass es Spaß macht. Mit der App kann man die Aufgaben alleine oder aber gemeinsam mit Angehörigen durchführen. Auch die soziale Komponente soll nicht zu kurz kommen!“

Wissenschaftliche Überprüfung

Ob die App tatsächlich die kognitive Leistungsfähigkeit fördert, wird nun in einer Studie an insgesamt 220 Personen mit Alzheimer-Demenz überprüft. Laut Projektleiterin Fellner wird zu Beginn und am Ende des 18 Monate langen Tablet-gestützten Trainings die Kontroll- und die Interventionsgruppe genau untersucht. Dazu sind unter anderem psychologische und pflegewissenschaftliche Tests, sowie Magnetresonanztomographie-Untersuchungen an der Medizinischen Universität Graz geplant.

Zu Beginn soll die Magnetresonanztomographie maßgeblich dabei helfen, Alzheimer bei den Probanden festzustellen und andere neurologische Störungen auszuschließen. Am Ende wird mit dem bildgebenden Verfahren das Fortschreiten der Erkrankung überprüft.

Zwei Fliegen mit einer Klappe

Neben der medizinischen Wirksamkeit der App soll im laufe der Studie auch analysiert werden, ob die Technik später dabei helfen könnte, Alzheimer besser zu diagnostizieren. „Die Kamera vom Tablet wird während des Trainings zum Eye-tracking verwendet und nimmt beispielsweise bei Fehlersuchbildern auf, wie sich die Augen über den Bildschirm bewegen“, so die Elektrotechnikerin Maria Fellner. Da sich die Augen gesunder Personen auf der Suche nach Fehlern anders bewegen als bei dementen Menschen, könne dieses Merkmal potentiell als Unterscheidungskriterium verwendet werden.

Testpersonen werden für die Studie übrigens noch gesucht, Interessierte können sich beim Roten Kreuz Steiermark oder dem Sozialverein Deutschlandsberg melden und im Zuge der ersten Untersuchungen ihre geistige Leistungsfähigkeit überprüfen lassen. Anfang 2020 werden die Tablets dann nach und nach ausgeteilt.

Geraldine Zenz, Ö1-Wissenschaft

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