Reform sorgt für Kritik

Rund zehn Millionen Euro steckt der Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) pro Jahr in Grundlagenforschung. Eine Reform sorgt nun für Kritik: Wurden bisher verschiedene Fächer gefördert, so soll es ab 2020 nur noch die Ökonomie sein.

„Wir wollen, dass die Projekte, die wir fördern, auch einen Bezug zur Nationalbank haben“, sagt der zuständige OeNB-Direktor Thomas Steiner gegenüber science.ORF.at. „Der Jubiläumsfonds soll keine allgemeine Forschungsförderung sein.“

Bisher 800 Mio. Euro vergeben

Genau das war der Jubiläumsfonds aber in großen Teilen bisher. Seit seiner Gründung 1966 flossen über 800 Millionen Euro in Projekte aus den Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Sozial- und Geisteswissenschaften. Letztere lukrierten alleine in den vergangen fünf Jahren rund 15 Millionen Euro. Ab dem nächsten Jahr wird das nicht mehr so sein. Finanziert werden soll nur noch Forschung, die „notenbankrelevant“ ist – sich also mit wirtschaftlichen Themen rund um Zentralbanken beschäftigt, wie OeNB-Direktorium und Generalrat bereits im August bzw. September beschlossen haben.

Einige Forschungsbeispiele, die Thomas Steiner aufzählt: „Geldpolitik, Inflationserwartungen, wirtschaftliche Entwicklungen dazu und die Unabhängigkeit der Notenbank.“ Die Medizin ist damit künftig komplett, Geistes- und Sozialwissenschaften größtenteils vom Jubiläumsfonds ausgeschlossen.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 17.10., 12:00 Uhr.

Vor zwei Wochen, nach Schlagzeilen um strittige Personalentscheidungen fast unbemerkt, berichtete die OeNB von der Reform in einer Presseaussendung. Erst jetzt verbreitet sich die Nachricht langsam weiter, die Betroffenen in den Geistes- und Sozialwissenschaften reagieren in einem Spektrum von „entsetzt“ bis „verstört“.

Wissen über Österreich geht verloren

„Es gibt in Österreich neben dem Wissenschaftsfonds FWF nur wenige Fördergeber für diese Fächer“, erklärt etwa Markus Wagner, Vizedekan der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Uni Wien. „Schon heute werden viele gute Projekte vom unterdotierten FWF abgelehnt.“ Speziell bei kleineren Projekten hätten sich viele Forscher und Forscherinnen aus seinem Bereich an den Jubiläumsfonds gewandt. „Wenn es ihn für die Sozialwissenschaften nicht mehr gibt, werden viele gute Forschungsprojekte über Österreich nicht mehr gemacht. D.h., wir werden weniger darüber wissen, wie sich Österreich gesellschaftlich und politisch entwickelt.“

Ähnlich sieht das Barbara Stelzl-Marx , die Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung und Historikerin an der Universität Graz. Sie untersucht in einem mit 200.000 Euro vom Jubiläumsfonds geförderten Projekt soeben die Geschichte des “Lebensbornheims Wienerwald“ – einem Mütterheim im Wienerwald, in dem die Nazis ihre Rassenideologie umsetzten und „Arier“ auf die Welt brachten. In Zukunft werden Projekte wie diese nicht mehr möglich sein, bedauert Stelzl-Marx. „Das ist natürlich ein Verlust. Ich hatte erst letzte Woche eine Projektidee, die sehr gut zum Jubiläumsfonds passen würde. Das geht nach dieser Reform leider nicht mehr.“

Forschung muss OeNB-Bezug haben

„Schrecklich“ findet diese auch Jörg Flecker , Sozialwissenschaftler an der Universität Wien und ebenfalls aktuell Leiter eines Projekts beim „Jubelfonds“, wie es in der Branche mitunter heißt. „Mit dem Fonds wurden bisher Forschungsfragen untersucht, die aus der Wissenschaft kamen – also thematisch nicht vorgegeben waren. Auch der Europäische Forschungsrat betont, dass solch ein bottom-up-Ansatz Innovationen fördern.“ Sein eigenes Projekt, das die Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeit und Beschäftigung im Dienstleistungssektor untersucht, wird nach den neuen Bedingungen der Nationalbank nicht mehr gefördert.

Was aber nicht heißt, dass die Nationalbank gar keine Sozial- und Geisteswissenschaften fördert. Auch diese müssten aber einen Bezug zur Nationalbank haben, betont Thomas Steiner, einer der vier neuen Mitglieder im OeNB-Direktorium, das erst heuer von der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung eingesetzt wurden: „Wer etwa über Arbeitnehmerentgelte und deren Auswirkungen auf Frau und Männer forscht, und über die Frage, was das mit Inflationsentwicklungen zu tun hat, dann hat das einen OeNB-Bezug.“ Entsprechende interessierte Forscher und Forscherinnen mögen sich weiter an den Jubiläumsfonds wenden.

Noch mehr Anträge beim FWF

Das Fazit der befragten Geistes- und Sozialwissenschaftler ist sehr negativ. Für sie ist die Reform des Jubiläumsfonds eine kleine Katastrophe. Während die Medizin dank Pharmafirmen und anderer Förder-Einrichtungen über den Verlust hinwegkommen dürfte, sind 2,7 Millionen Euro pro Jahr für die Sozial- und Geisteswissenschaften sehr viel Geld. Damit lassen sich rund 30 wissenschaftliche Nachwuchskräfte finanzieren. Vermutlich, so die Prognose der Forscher und Forscherinnen, wird der Wissenschaftsfonds FWF in Zukunft mit noch mehr Anträgen aus diesem Bereich rechnen müssen – seine ohnehin schon hohe Ablehnungsrate wird damit weiter steigen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at