Bildung schützt vor Demenz

Ein Drittel der Demenzfälle kann durch Bildung und einen gesunden Lebensstil positiv beeinflusst werden. Das schließen Forscher aus einer Langzeitstudie. Dabei wurden Menschen zweimal im Laufe eines Lebens getestet: einmal als Kind und einmal im Pensionsalter.

Den ersten Test machten die Teilnehmerinnen im Jahr 1954 im Alter von acht Jahren, den bisher letzten absolvierten sie vor Kurzem mit 68 oder 69. Ganze 24 Mal wurden rund 5.000 Briten, die alle in derselben Woche im März 1946 geboren worden sind, im Laufe ihres Lebens als Teil einer nationalen Langzeitstudie getestet und befragt.

Die Studie

„Cognition at age 70“, Neurology (30.10.2019).

Gesammelt wurden Informationen über Schulbildung, Beruf, Gedächtnisleistung, psychische und körperliche Gesundheit. Immer wieder greifen Wissenschaftler auf diesen umfangreichen Datensatz zurück, um beispielsweise mehr darüber zu erfahren, was unsere Gesundheit im Laufe eines Lebens positiv und negativ beeinflusst. So auch der Neurowissenschaftler Jonathan Schott vom University College in London. Er und sein Team haben 500 Datensätze herausgenommen und untersucht, wie sehr sich die Merk- und Denkfähigkeit der Menschen im Laufe ihres Lebens verändert hat und warum. Denn, so nimmt man an, ein aktiver Geist ist weniger anfällig für Demenz.

Gedächtnistests plus Gehirnscans

„Wir haben diese 500 gesunden Teilnehmer aus ganz Großbritannien zu uns eingeladen und zusätzliche Gedächtnistests sowie Gehirnscans gemacht und untersucht, ob manche Teilnehmer Beta-Amyloid-Plaques haben.“ Solche Eiweißablagerungen erhöhen vermutlich das Alzheimerrisiko - wenngleich nicht alle Betroffenen auch tatsächlich dement werden.

Bei den Untersuchungen kristallisierten sich letztlich eine Reihe unterschiedlicher, voneinander unabhängiger Faktoren heraus, die das Gedächtnis im Alter beeinflussen. Manche davon stehen unter Umständen schon von Anfang an fest. So taten sich jene, die bei den Gedächtnistests im Alter von acht Jahren sehr gut abschnitten, auch mit rund 70 noch leichter bei den Merkaufgaben. Wer also mit acht unter den Top 25 Prozent landete, hatte gute Chancen auch 60 Jahre danach noch zum besseren Viertel zu gehören. „Was die Gründe dafür sind, wissen wir noch nicht, vielleicht sind die Ursachen genetisch oder es hat etwas damit zu tun, wie die Kinder aufgewachsen sind.“

Entscheidend war auch das Geschlecht. Demnach schnitten Frauen in fast allen Tests deutlich besser ab als Männer. Das ist insofern interessant, als mehr Frauen von Alzheimer betroffen sind. Das wiederum könnte damit zu tun haben, dass Frauen länger leben und damit eher Altersdemenz bzw. konkret Alzheimer entwickeln. „Wir begleiten unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den nächsten Jahren weiterhin. Hoffentlich werden wir mehr darüber erfahren, warum das so ist.“

Geistige Fitness beeinflussen

Man hat seine geistige Fitness aber bis zu einem gewissen Grad auch selbst in der Hand, wie die Studie zeigt. Wenig überraschend schnitten beispielsweise jene, die ein College abgeschlossen hatten bei den Gedächtnistests um 16 Prozent besser ab als jene, die vor 16 von der Schule gegangen waren. „Der Effekt ist relativ klein. Dennoch zeigt dieses Ergebnis: Wenn wir das Bildungsniveau aller erhöhen können, wirkt sich das positiv auf die Kognition im Alter aus. Ob und wie sich das dann auch auf das Demenzrisiko auswirkt, werden wir uns in den nächsten Jahren ansehen.“

Einen marginalen Einfluss auf die Merk- und Denkfähigkeit im Alter hatten auch sozioökonomische Faktoren wie der berufliche Status und das Einkommen.

Unterdurchschnittlich schlecht schlossen wiederum jene Teilnehmerinnen und Teilnehmer ab, in deren Gehirnen die Forscher Plaques nachgewiesen haben. Dieser Faktor war ebenfalls unabhängig davon, ob jemand männlich oder weiblich war, wie gut er oder sie als Kind den Test abschloss, welchen Beruf oder Bildungsgrad jemand hatte.

Zwei Drittel brauchen Medikamente

„Unsere Studie lässt den Schluss zu, dass sich vermutlich ein Drittel der Demenzfälle durch Bildung und auch einen gesunden Lebensstil positiv beeinflussen lassen.“ So deuten Untersuchungen beispielsweise darauf hin, dass das Demenzrisiko mit einem höheren Blutdruck steigt.

Zwei Drittel der Fälle seien wiederum nur medikamentös zu behandeln. Hier wäre es besonders wichtig, die Demenz so früh wie möglich zu erkennen und zu behandeln, betont Schott. Ein solches Früherkennungssystem könnte beispielsweise ein Bluttest sein, mit dem die Plaque-Belastung im Gehirn sichtbar gemacht werden kann. Zudem könnten vielleicht auch kognitive Tests angewendet werden.

Wer von den Teilnehmern letztlich an Demenz erkranken wird, ist unklar. „Wir bleiben aber dran und hoffen, dass wir immer besser verstehen, was Demenz beeinflusst und wie man sie früher erkennen kann.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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