Vom Metall zur Hierarchie

2019 war das Jahr des Periodensystems. Ein historischer Rückblick zeigt: Elemente wie Kupfer, Zinn und Eisen haben die Menschheitsgeschichte tief geprägt. Die Metallverarbeitung brachte nicht nur neue Werkzeuge, sondern war auch Grundlage von Hierarchie und Krieg.

Als die Menschen der Steinzeit langsam lernen, wie man aus Erzen reines Metall gewinnt und dieses dann bearbeitet, ist das der Startschuss für rasante gesellschaftliche Veränderungen. Begonnen hat alles mit Kupfer, vermutlich am Balkan.

Sitzende Vinca-Figur, rund 6.000 Jahre alt im British Museum, London

CC BY-SA 3.0

Sitzende Vinca-Figur, rund 6.000 Jahre alt im British Museum, London

150 Jahre Periodensystem

Im Oktober 1869 hat der deutsche Chemiker Viktor von Richter in einer Publikation von einer Sitzung der Russischen Chemischen Gesellschaft berichtet, in der sein russischer Kollege Dmitri Mendelejew „Ueber die Beziehungen der Eigenschaften zu den Atomgewichten der Elemente“ vorgetragen hat. Dies gilt als Geburtsstunde des Periodensystems.

Zumindest deutet das älteste bekannte Kupferbergwerk darauf hin, das in einem Gebirgsmassiv im heutigen Serbien liegt. Dort haben die Menschen der sogenannten Vinca-Kultur vor rund 8.000 Jahren mit einfachsten Werkzeugen das Erz gezielt abgebaut, mithilfe auch von Wasser und Feuer, um Gestein zu erhitzen, schnell abzukühlen und so gewissermaßen abzusprengen.

Nie zuvor gekannter Reichtum

Als sich Kupfer durchsetzt, bringt das ganz neue Möglichkeiten: Denn Kupfer ist ein neues Material, das sich, im Unterschied zu Stein, immer wieder verformen lässt und dabei auch relativ leicht zu transportieren ist, erklärt Barbara Horejs, Direktorin des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien.

Und es gibt mehr als genug davon. Jene, die wissen, wie man Metall verarbeitet, und auch die Orte, an denen die Menschen, Schmuck, Spangen oder zeremonielle Äxte im Überfluss fertigen, werden auf eine Art reich, die es nie zuvor in der Menschheitsgeschichte gegeben hatte. Eine neue Arbeitsteilung bringt neue Aufgaben und Berufe: Es entsteht ein Gesellschaftssystem, wie man es vor dem Kupfer, nicht gekannt hat.

Steuern und Könige

Von einer „strengen gesellschaftlichen Pyramide“ spricht Barbara Horejs: An der Spitze steht ab jetzt eine Person oder eine Gruppe, sehr oft ein Königshaus, das sich von anderen abhebt und sie dominiert. Abgabensysteme werden eingeführt, und die verschiedenen Gesellschaftsgruppen werden voneinander wirtschaftlich abhängig.

Kupfer hat aber einen großen Nachteil: Es ist ein eher weiches Metall und hält kaum Belastung aus. Für Waffen oder Werkzeuge eignet es sich darum nicht. Die Metallverarbeiter experimentierten darum gezielt damit, andere Stoffe beizumischen, um die Eigenschaften des Metalls zu verbessern.

Arsen und Spitzhacken

Beispielsweise das recht häufig vorkommende Arsen wurde einige Zeit standardisiert dem Kupfer beigemischt, wie Funde zeigen. Viel erfolgreicher war aber der Zusatz des wesentlich selteneren und überaus teuer gehandelten Elements Zinn. Die Beigabe von Zinn allerdings macht aus Kupfer schließlich Bronze - eine Materialrevolution: “Man kann das tatsächlich mit dem Smartphone vergleichen, Bronze wird erfunden und setzt sich rasant und dynamisch durch, löst das Kupfer schlagartig ab“, meint Barbara Horejs.

Bronzeamphore und einige kleinere Gefäße aus der Zeit von ca. 900-800 vor Christus, 1991 im brandenburgischen Herzberg ausgegraben

dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Bronzeamphore und einige kleinere Gefäße aus der Zeit von ca. 900-800 v. Chr., 1991 im brandenburgischen Herzberg ausgegraben

Denn Bronze ist in seinen gesamten Eigenschaften besser geeignet, harte, zähe, aber nicht brüchige Geräte und Objekte herzustellen, etwa Schwerter und Pflüge. Zu den Waffen und Werkzeugen kommen aber auch jede Menge Alltagsgegenstände, Kochgeschirr und Schmuck - alles schien sich mit Bronze machen zu lassen, der Kreativität ließ man freien Lauf. Der Eroberungs- und Kriegslust auch.

Mit Eisen zur Industrie

Weniger revolutionär, und auch wesentlich später, folgt dann die Verarbeitung von Eisen. Die Technologien der Metallverarbeitung entwickeln sich Schritt für Schritt weiter und ab etwa 800 vor Christus lassen sich Temperaturen erzeugen, die für die Eisenschmelze nötig sind.

Eisen ist noch härter und langlebiger als Bronze, und manche Eisenerze wie das ferrum noricum aus dem Gebiet des heutigen Österreichs sind ob ihrer Qualität, die sogar mehr schon heutigem Stahl gleicht, vielgerühmt. Außerdem findet man Eisen anders als das teure Zinn an vielen Orten und dort dann auch in großen Mengen. Eine richtiggehende Industrie entsteht rund um die großen Eisenlagerstätten, zum Beispiel im Gebiet der heutigen Steiermark. Eisen wird billigere Massenware, als Bronze es jemals sein konnte. Und wird als Stahl viel später im 19. Jahrhundert noch einmal ein neues wirtschaftliches Zeitalter miteinläuten.

Isabella Ferenci, Ö1-Wissenschaft

Serie „150 Jahre Periodensystem“:

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