Äußerlich gleich, genetisch verschieden

Ist Evolution vorhersagbar oder eher Zufall? Vielleicht ein bisschen von beidem, wie eine neue Studie an Schmetterlingen zeigt. Exakt gleiche Muster entwickelten sich auf unterschiedliche Weise.

In den südamerikanischen Tropen flattern viele Schmetterlingsarten herum, die sich genetisch deutlich unterscheiden, äußerlich aber genau gleich aussehen. Tiefrote Streifen, grellorange Flügelspitzen oder ausgefallene geometrische Zeichnungen schmücken viele Arten der Heliconius-Gattung, die sich einen Urvorfahren teilen. Von Gegend zu Gegend unterscheiden sich die Muster, als ginge man von einem Stammesgebiet ins nächste, innerhalb einer geografischen Region aber finden sich oft trotz Artenvielfalt gleiche Muster - falsche Zwillinge.

Einige der Heliconiusarten

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Einige der Heliconiusarten

Uns Menschen bezaubern die bunten, flatternden Heliconiusarten meist, Fressfeinden sollen die schimmernden Muster signalisieren sich fernzuhalten und zeigen, dass die Schmetterlinge zu einer ungenießbaren Sorte gehören. Wenn Vögel ein- oder zweimal an Heliconius naschen, dann lernen sie wie unverträglich sie sind und verlieren das Interesse. Je mehr Schmetterlinge sich dann so ein Muster teilen, desto weniger Leben kostet es die eigene Art, den Vögeln diesen Ekel beizubringen – man teilt sich die Kosten und das Aussehen, trotz eigentlich unterschiedlicher Genetik, sagt die chilenische Biologin Carolina Concha.

Feldlabor für Evolutionsforschung

Eine wunderbare Chance, um evolutionäre Mechanismen zu untersuchen, dachte sich die Forscherin, die am Smithsonian Institut für Tropenforschung in Panama arbeitet. Dort hat sie mithilfe der „Genschere“ CRISPR/Cas9 bei zwölf verschiedenen Arten, darunter bei drei falschen Heliconius-Zwillingen, das Gen WnTA ausgeschaltet - das man damit in Verbindung bringt, die Musterung von Schmetterlingen zu regeln.

In allen Arten änderten sich die die Flügelmuster dann tatsächlich deutlich, auch in den falschen Zwillingspaaren, allerdings auf komplett unterschiedliche Weise: Ein Beweis, dass unter der Oberfläche gänzlich andere molekularbiologische Mechanismen ablaufen - als hätte man die unterschiedlichen Arten entlarvt. Trotz ihres anderen genetischen Aufbaus haben sie in der freien Wildbahn dennoch unter dem Anpassungsdruck der Fressfeinde das gleiche Muster entwickelt.

Video des Smithsonian Instituts für Tropenforschung:

Ist Evolution also eigentlich komplett vorhersagbar, weil durch die Umwelt und äußeren Anpassungsdruck das Ziel bereits feststeht? Oder spielt Zufall doch auch eine wichtige Rolle? Beides, meint Carolina Concha nach diesen Ergebnissen: „Einerseits kann man sagen, dass die natürliche Auslese eine extrem bestimmende Kraft ist, denn die Schmetterlinge sehen ja alle gleich aus, obwohl sie sich vor etwa fünf Millionen Jahren auseinanderentwickelt haben. Aber andererseits ist auch der Zufall wichtig, weil sie ja alle den jeweils eigenen molekularbiologischen Pfad erst finden müssen, der zum selben Ziel führt!“

Das Ergebnis bringt neuen Stoff für eine sehr langanhaltende Debatte um die Grundlagen der Evolution, wenn auch noch keine klaren Antworten zu den exakten evolutionsbiologischen Abläufen. Derzeit versuchen Carolina Concha und ihre Kollegen in Panama, die weiteren Gene zu finden, die an der Entstehung der schönen und lebenswichtigen Muster der Schmetterlingspaare beteiligt sind, um so mehr über den Vorgang der Evolution an sich herauszufinden.

Isabella Ferenci, Ö1 Wissenschaft

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