Kein Widerspruch: Armut und Klimawandel bekämpfen

Um die Armut in der Welt zu bekämpfen, braucht es mehr Energie – was die Klimaerwärmung antreibt. Doch der Widerspruch ist geringer als erwartet, wie nun Forscher berichten.

„Es wird seit Langem befürchtet, dass wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz nicht vereinbar sind“, erklärte Studienleiter Narasimha Rao vom Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien. Denn das Wachstum, das erforderlich ist, um Milliarden von Menschen aus der Armut zu befreien, würde es unmöglich machen, die Nettoemissionen auf Null zu senken.

In einer im Fachjournal „Nature Energy“ veröffentlichten Studie hat das Team um Rao eine neue Methode entwickelt, die erstmals ermöglicht, die Energienachfrage zur Beseitigung der Armut von jener für das allgemeine Wirtschaftswachstum getrennt zu betrachten. Am Beispiel von Brasilien, Indien und Südafrika konnten sie zeigen, dass der notwendige Energiebedarf, um allen einen angemessenen Lebensstandard bereitzustellen, deutlich unter dem derzeitigen jeweiligen nationalen Energieverbrauch liegt.

Der indische Premierminister Narendra Modi und der französische Präsident Emmanuel Macron eröffnen im März 2018 ein Solarkraftwerk in Indien

APA/AFP/POOL/Ludovic MARIN

Der indische Premierminister Narendra Modi und der französische Präsident Emmanuel Macron eröffnen im März 2018 ein Solarkraftwerk in Indien

In Indien liegt der Energiebedarf demnach bei rund zwölf Gigajoule pro Jahr und Einwohner, in Südafrika bei 17 und in Brasilien bei 21. Zum Vergleich: OECD-Länder verbrauchen im Schnitt 65 Gigajoule pro Kopf, die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate über 200, so Rao gegenüber science.ORF.at. Die notwendige Energie für die Bereitstellung einer guten Gesundheitsversorgung und Bildung ist laut der neuen Studie weitaus geringer als jene für Infrastruktur, Transit und Gebäude. Dieser Energiebedarf kann jedoch weiter reduziert werden, wenn die Länder umfangreiche, erschwingliche öffentliche Verkehrsmittel bereitstellen und lokale Materialien im Gebäudebau verwenden.

„Nicht erwartet“

„Wir hatten nicht erwartet, dass der Energiebedarf für ein minimal menschenwürdiges Leben so gering sein würde“, so Rao. Es sei auch überraschend, dass die grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse in Bezug auf Gesundheit, Ernährung und Bildung energietechnisch günstig sind.

Der Studie zufolge treiben Wohlstand und Überfluss die Energienachfrage deutlich stärker an als die Deckung der Grundbedürfnisse. Voraussichtlich werde in den untersuchten Ländern der Großteil des künftigen Energiewachstums der Mittelschicht und den Wohlhabenden zugutekommen, selbst wenn die Regierungen die Armutsbekämpfung in den Vordergrund stellen. Aus diesem Grund sollte dem Lebensstil und seiner Entwicklung in Schwellen- und Entwicklungsländern besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, betonten die Forscher.

science.ORF.at/APA

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