Eine zweite Haut für die virtuelle Realität

Diese Erfindung könnte Videospiele auf den nächsten Level der Realität heben: Wissenschaftler haben eine künstliche Haut entwickelt, die Berührungen per Antenne empfängt – und fühlbar macht.

Wer schon einmal eine VR-Brille ausprobiert hat, weiß: Was da vor dem Auge (und Ohr) des Betrachters entsteht, ist Kino hoch drei, eine in sich geschlossene Realität. Doch so ausgefeilt die Technologie mittlerweile auch sein mag, es sind nicht alle Sinne angesprochen. Sehen und hören ist eine Sache – noch beeindruckender wäre es, wenn man das Erlebte auch spüren könnte. Eine synthetische Haut, entwickelt an der Northwestern University in Illinois, USA, verspricht nun genau das: „Haptisches Interface“ nennen die Forscher ihre Erfindung.

Streicheln per Touchscreen

Im Prinzip handelt es sich um eine Art Pflaster, das auf der Haut der Benutzer angebracht wird und elektrische Ströme in Druck oder Vibrationen umwandeln kann. Nachdem die synthetische Haut kabellos über den Computer angesteuert wird, sind alle möglichen Anwendungen denkbar. Man könnte zum Beispiel Familienmitgliedern per Touchscreen Streicheleinheiten zukommen lassen (siehe erstes Video) – ähnlich, wie es bei dem 2002 entwickelten „Hug Shirt“ schon möglich ist.

Neben der Computerspiel- und Unterhaltungsindustrie wäre die Erfindung auch für die Medizin, genauer: für die Entwicklung intelligenter Prothesen interessant. Hier haben die Forscher bereits einige Praxistests absolviert.

Praxistest: Mit dem Arm tasten

In einem weiteren der Studie beigefügten Video ist ein Mann zu sehen, der mit seiner Prothese nach einem Getränkekühler aus Neopren greift. Auf seinem Oberarm trägt er das haptische Pflaster, das Daten von Sensoren an den Fingern empfängt – und dort in eine Tastempfindung umwandelt. Er fühlt also mit dem Arm, was andere Menschen mit ihren Fingerspitzen ertasten.

Bis zur Marktreife sind allerdings noch ein paar Hürden zu überwinden, schreiben die Forscher im Fachblatt „Nature“. Stromstärke und Energieverbrauch sind nicht optimal, die Wandler im künstlichen Gewebe noch zu groß, außerdem entsteht momentan noch relativ viel Abwärme beim Gebrauch. Somit wäre das Gerät im Prinzip auch als Wärmepflaster einsetzbar - freilich ist das nicht die Art von Anwendung, die dem Team um den Materialwissenschaftler John Rogers für die Zukunft vorschwebt. Die Reise geht in Richtung erweiterte Realität.

Robert Czepel, science.ORF.at

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