Krebspatienten sterben oft an Herzinfarkt

Nach der Krebsdiagnose beginnt für viele ein Leidensweg, doch der Tumor ist nicht das einzige Problem: Jeder zehnte Krebspatient stirbt an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das gilt besonders für junge Menschen.

Die soeben im „European Heart Journal“ vorgestellte Studie erfasst mehr als drei Millionen Patienten und Patientinnen aus den USA. 38 Prozent starben laut Statistik an den Folgen der Krebserkrankung, elf Prozent an Schlaganfällen, Schäden der Blutgefäße und vor allem – bei drei von vier Todesfällen – an Herzerkrankungen.

Der Zusammenhang ist allerdings nicht bei allen Krebsarten gleich ausgeprägt. Bei besonders aggressiven Wucherungen, zum Beispiel an Lunge, Leber und Hirn, ist der Tumor klar die Todesursache Nummer eins. Anders sieht es bei Prostata-, Brust- und Blasenkrebs aus: Hier sterben ungefähr so viele Patienten und Patientinnen an Herzleiden (und verwandten Krankheiten) wie an der Krebserkrankung selbst.

Risiko im ersten Jahr besonders hoch

Trends haben die Forscher um Nicholas Zaorsky vom Penn State Cancer Institute in Hershey, Pennsylvania, auch in zeitlicher Hinsicht ausgemacht. Tödliche Herzleiden entstehen laut Statistik vor allem im ersten Jahr nach der Krebsdiagnose, dann nimmt das Risiko ab und steigt erst fünf bis zehn Jahre später wieder an. Nach Alterskohorten gerechnet sind wiederum junge Krebspatienten (unter 35 Jahre) besonders gefährdet.

Krankenhaus: Patient liegt im Bett

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Warum das so ist, können die Forscher mit den ihnen zur Verfügung stehenden Daten nicht mit Sicherheit sagen. Denkbar wären – vom Lebensstil abgesehen - zwei Erklärungen: Entweder schwächt der Tumor den Körper so, dass auch das Kreislaufsystem in Mitleidenschaft gezogen wird. Oder es liegt an Nebenwirkungen von aggressiven Krebstherapien. Vermutlich stimmt beides.

Nebenwirkung von Chemotherapien?

Forscher aus Barcelona haben etwa kürzlich ausgerechnet, wie sich Chemotherapien auf die DNA in gesunden Geweben auswirken – und kommen zu dem Schluss: Während der Behandlung sind die Mutationsraten um den Faktor 100 bis 1.000 erhöht. Wie Studienautor Oriol Pich vom Institute for Research in Biomedicine in Barcelona betont, sind Chemotherapien zwar „ein effizientes Mittel, um Krebs zu bekämpfen“, gleichwohl gebe es Handlungsbedarf, um Nebenwirkungen und Schäden an Organen möglichst gering zu halten.

Joerg Herrmann von der Mayo Clinic in Rochester sieht angesichts der Studie im „European Heart Journal“ einen Paradigmenwechsel auf die Medizin zukommen. Krebs, Herz und Kreislauf sollten in Zukunft nicht mehr getrennt, sondern als Gemeinsames gedacht und behandelt werden. Dieses Umdenken hat sich mancherorts schon institutionalisiert: Vor allem in US-amerikanischen Kliniken gibt es bereits gesonderte „kardio-onkologische“ Abteilungen. Herrmann geht davon aus, dass solche Brückenschläge zwischen den Disziplinen bald zum Normalfall im Klinikalltag werden.

Robert Czepel, science.ORF.at

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