Fleischfans gegen „Planetary Diet“

Sich gesund ernähren und zugleich das Klima schützen - für eine „Planetendiät“ plädierten Forscher zu Jahresbeginn. Eine Analyse von Tweets zeigt: Schon Tage davor startete eine Gegenkampagne von Fleischanhängern, die mehr Menschen erreichte als die Forscher.

Viel Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und Getreide, aber nur wenig bzw. selten Fleisch und andere tierische Produkte – das ist der Kern der „Planetendiät“, die 37 Forscher der „EAT-Lancet Commission on Food, Planet, Health“ – darunter Mediziner, Ökologinnen, Klimaforscherinnen, Ernährungs- und Politikwissenschaftler - am 16. Jänner dieses Jahres in „The Lancet“ vorstellten. Der Verbrauch von Fleisch und Zucker könnte sich dadurch weltweit halbieren, hieß es. Davon würde die Gesundheit der Weltbevölkerung profitieren, aber auch die Umwelt und das Klima – also letztlich der ganze Planet.

Die Studie erzielte sehr viel mediale Aufmerksamkeit, und auch die Reaktion von Kritikern und Kritikerinnen ließ nicht lange auf sich warten. Manche vermuteten hinter der vom Wellcome Trust finanzierten Studie eine gezielte Aktion von Veganern und Veganerinnen, andere befürchteten eine Mangelernährung. Forscherkollegen hingegen orteten methodische Schwächen, die Autorinnen und Autoren reagierten und reichten eine methodische Differenzierung nach.

Mehr Aufmerksamkeit für Kritik

Bei dieser vermeintlich ideologischen Debatte könnten auch Soziale Netzwerke eine wesentliche Rolle gespielt haben – das legt eine nun ebenfalls in „The Lancet“ veröffentlichte Analyse von Twitter-Daten nahe. Dafür haben die Forscher um David Garcia vom Complexity Science Hub und der Meduni Wien insgesamt 8,5 Millionen Tweets von 4.278 Twitter-Nutzer (vom 1.12.2018 bis zum 1.4.2019) analysiert.

Unter „#yes2meat“ begann sich schon einige Tage vor der Veröffentlichung der Studie zur „Planetendiät“ eine Gegenbewegung zu formieren. Einer der ersten Tweets (14.1.2019) stammt von Frederic Leroy: Er verweist darin auf einen Beitrag auf EFA News, einer agrarnahen Website. In den ersten Tagen posteten zu dem Hashtag aber vor allem Menschen, die sich einfach über die Vorzüge des Fleischkonsums äußerten. Rasch wurde daraus eine Plattform für User, die darauf ihre Meinung zur „EAT-Lancet Commission“ kundtaten, die in den allermeisten Fällen negativ war. Laut der Analyse handelte es sich übrigens um echte Menschen und keine Bots.

Die Kritiker erreichten auf diese Weise mehr als 26 Millionen Menschen, Tweets unter dem Hashtag „#EAT-Lancet“ – die Social-Media-Kampagne zur „Lancet“-Studie - nur etwas mehr als 25 Millionen. Die Haltung gegenüber der „Planetendiät“ spiegelte sich laut den Autoren um Garcia auch in zahlreichen kritischen (bisweilen diffamierenden) Beiträgen in alternativen Medien wie Blogs.

Unentschlossene beeinflusst

In der Debatte haben sich laut der aktuellen Analyse drei Hauptgruppen gebildet: Eine hat „#EAT-Lancet“ klar unterstützt, eine zweite stand der Kommission mehrheitlich kritisch gegenüber und dazwischen gab es Unentschlossene. Letztere wurden im Lauf der Monate immer kritischer und haben weitaus öfter (sechsmal so häufig) Tweets von Kritikern retweetet. Das lege nahe, dass die Unentschlossenen von den Skeptikern beeinflusst und auf ihre Seite gezogen wurden.

Forscher und wissenschaftliche Einrichtungen sollten Fälle wie diesen ernst nehmen, betonen die Autoren. In Zeiten von Social Media ließen sich auch falsche Informationen extrem leicht streuen, und manche Themen – wie die menschliche Gesundheit sowie Klima und Umwelt – eigneten sich eben besonders gut zur Polarisierung. Es brauchte dringend Mittel, um sich gegen solche Kampagnen zu wehren.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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