Klimawandel verändert Gesellschaften

Anders als heute wurde das Klima im späten Mittelalter nicht wärmer, sondern kälter. Wiener Historiker haben untersucht, welche Folgen die „Kleinen Eiszeit“ im östlichen Mittelmeerraum hatte: Etablierte Reiche wie Byzanz litten stärker unter Abkühlung.

„Zwischen 1200 und 1350 gab es die größte klimatische Veränderung der letzten 1.000 Jahre vor der derzeitigen Erwärmung", so der Wiener Historiker Johannes Preiser-Kapeller. Er und seine Kollegin Ekaterini Mitsiou vom Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben für ihren im Sammelband „The Crisis of the 14th Century“ veröffentlichten Beitrag auf historische Quellen und naturwissenschaftliche Daten zurückgegriffen, um Temperaturen und Niederschlagsmengen zu rekonstruieren.

Sie stellten fest, dass sich die Berichte von Zeitgenossen und naturwissenschaftliche Daten aus der Analyse von Baum-Jahresringen oder Tropfsteinen sehr gut decken. „Es kam damals in manchen Regionen zu einer Abkühlung der Durchschnittstemperaturen um bis zu 1,5 Grad Celsius und die Frequenz von drastischen Wetterereignissen in den Berichten nahm entsprechend zu“, erklärt Preiser-Kapeller in einer Aussendung.

Der Klimawandel wirkte sich regional unterschiedlich aus: „Wir sehen im östlichen Mittelmeerraum ab Mitte des 13. Jahrhunderts vermehrt längere und ausgeprägte Dürreperioden. Auch im Niltal kam es durch Veränderung der Niederschlagsmuster im Quellgebiet des Nils in Ostafrika zu Hungersnöten, weil die Höhe der Nilfluten zu niedrig oder zu stark ausfiel“, so der Historiker. Auch in Zentralasien wurde es feuchter und kühler. Damit konnten sich dort die Nagetiere stark vermehren, die über Flöhe die Pest übertrugen. Entlang der Handelswege breitete sich die Seuche dann in den 1340er-Jahren in Europa aus.

Byzanz war wenig flexibel

Die Auswirkungen auf verschiedene Gesellschaften waren nicht einheitlich. So konnte das Osmanische Reich ab 1350 auf Kosten von Byzanz expandieren. „Das byzantinische Reich war eine etablierte Macht und hatte einen entsprechend großen Apparat und damit Eliten, die versorgt werden mussten. Als es dann durch die Pest und die klimatischen Bedingungen zu einem Bevölkerungsrückgang kam, haben diese Eliten weiter versucht, dasselbe Ausmaß an Abgaben aus einer kleiner werdenden Bevölkerung herauszudrücken“, sagt Preiser-Kapeller gegenüber der APA. Das habe zu Unruhen geführt und zum Teil auch zu einer größeren Bereitschaft, sich anderen Mächten anzuschließen.

„Die Osmanen konnten davon profitieren“, so der Historiker. Ganze Dörfer seien übergelaufen, „weil die Osmanen ein besseres Angebot hatten, mit einer geringeren Steuerlast“. Dieses relativ neue Staatsgebilde sei noch nicht so stark abhängig von über lange Zeit entwickelten Strukturen und Verfahren gewesen und „konnte sich wohl leichter an die Veränderungen anpassen“.

(Un)freiwillige Anpassung

Doch es dauerte gerade einmal rund 250 Jahre, bis der Höhepunkt der „Kleinen Eiszeit“ die Boomzeit des Osmanischen Reichs beendet hat. Wie Preiser-Kapeller im Vorjahr in einer Publikation gezeigt hat, traf nach extremen Kälte- und Dürreperioden „die Osmanen das, was zuvor die Byzantiner getroffen hat: da war das Osmanische Reich eine etablierte Großmacht mit einem entsprechenden Apparat und nicht mehr so flexibel - sie gerieten dadurch in eine schwere Krise“, so der Historiker.

Für Preiser-Kapeller ist klar, dass vom Klimawandel ausgelöste lang anhaltende Krisen Gesellschaften verändern. „Sie tun es entweder freiwillig, indem sie sich anpassen, oder unfreiwillig, weil es zu sozialen Unruhen kommt und gesellschaftlichen Umwälzungen eintreten.“

science.ORF.at/APA

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