Zu wenig Bewegung? Zu viel Essen!

Bewegen sich übergewichtige Kinder zu wenig oder essen sie zu viel? Eine neue Studie liefert Argumente für Letzteres. Körperlich aktive Kinder verbrauchen demnach genauso viel Energie wie bewegungsarme - entscheidend sei das Essverhalten.

Isst ein Kind ständig Schokolade, Pommes frites und Burger, ist das nicht so schlimm, wenn sich das Kind viel bewegt und wächst: Was viele glauben, stimmt leider nicht. Wie US-Forscher nun herausgefunden haben, besitzen auch Kinder ein gewisses Energiebudget, das sie täglich verbrauchen und das für alle gleich ist. Essen Kinder mehr als sie verbrauchen können, nehmen sie vereinfacht gesagt zu. So lässt sich das Ergebnis einer Studie zusammenfassen, bei der Forscher Kinder aus den USA und Großbritannien mit indigenen Kindern aus dem Amazonas verglichen haben.

Obwohl die Kinder aus den Industrieländern mehr sitzen und sich eher in einer sauberen Umgebung befinden, verbrauchen sie am Tag gleich viel Kalorien wie Kinder, die im Regenwald aufwachsen, sich viel bewegen und deren Immunsystem sich ständig gegen Viren und Bakterien verteidigen muss. „Der Energieverbrauch ist dabei unabhängig von ihrer Körpergröße“, erklärte einer der Autoren, Samuel Urlacher von der Baylor Universität.

Energieverbrauch ändert sich kaum

Pro Tag bewegten sich die 44 untersuchten Kinder des Shuar-Stammes sogar um 25 Prozent mehr als die zum Teil leicht übergewichtigen britischen und amerikanischen Kinder in der Studie. Sie verbrauchen dabei aber weniger Energie. „Wir gehen davon aus, dass Kinder aus den USA und Großbritannien mehr Bewegungsenergie verbrauchen, weil sie mehr Gewicht mit sich herumtragen. Zudem könnte es sein, dass sich die Shuar-Kinder effektiver bewegen“, so der Biologe und Anthropologe. Im Ruhezustand wiederum verbrauchten die indigenen Kinder 20 Prozent mehr Energie, was am verstärkten Selbstverteidigungsmodus ihres Immunsystems liegen könnte.

Bun sitzt auf Couck und hält einen Burger in der Hand

Adobe Stock / New Africa

Damit widerspricht die Studie gängigen Annahmen, wonach sich der Energieverbrauch am Tag einfach addiert. „Man dachte, je mehr sich jemand bewegt, je mehr das Immunsystem arbeitet, desto mehr Kalorien verbraucht man. Der durchschnittliche Energieverbrauch scheint sich aber vielmehr auszugleichen und einzupendeln.“ Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine vergleichbare Untersuchung des Koautors Herman Pontzer mit Erwachsenen. „In der jetzigen Studie haben wir noch genauere Messmethoden verwendet und gesehen, dass auch Kinder ein relativ eingeschränktes Energiebudget haben.“

Zu viele Kalorien

Natürlich gilt: Wenn man nie joggt und plötzlich fünf Kilometer rennt, verbraucht man an diesem Tag mehr Kalorien als an durchschnittlichen Tagen. Würde man aber jeden Tag fünf Kilometer laufen, müsste sich der Energieverbrauch wieder ausgleichen und der Körper für eine andere Aufgabe weniger Energie verbrauchen. „Das belegen auch Untersuchungen mit Menschen, die begonnen haben, regelmäßig Sport zu machen. Am Anfang verbrauchten sie viel Energie, mit der Zeit passte sich der Körper an und verbrannte weniger.“

Da der Verbrauch also auf lange Sicht weniger flexibel zu sein scheint, muss es vor allem an der Energiezufuhr liegen, ob ein Kind übergewichtig oder sogar adipös wird. Das zumindest schließen Urlacher und seine Kollegen aus ihren Erkenntnissen. „Die Menge an Kalorien, die man zu sich nimmt, scheint den Energiehaushalt viel direkter zu beeinflussen.“ Heißt also: Je mehr man isst, desto mehr überschüssige Energie hat man zur Verfügung. An einem durchschnittlichen Tag wird diese dann nicht verbraucht, sondern gespeichert.

Sport ist dennoch sinnvoll

Das bedeutet jedoch nicht, dass Bewegungsmangel kein Problem ist. Unabhängig vom positiven Einfluss auf Herz und Lunge wirkt sich Sport auch indirekt auf das Körpergewicht aus. Wer sich etwa mehr bewegt, hat weniger Appetit. Je mehr Muskeln man hat, desto mehr Energie verbraucht man zudem auch im Ruhezustand. Abgesehen davon ist ausreichend Sport für die kindliche Entwicklung wichtig, ergänzte Urlacher.

Wie Untersuchungen aus den letzten Jahren zeigen, sind immer mehr Kinder übergewichtig oder adipös. Auch in Österreich sind rund 30 Prozent der Buben in der dritten Schulstufe bereits betroffen. Bei den Mädchen ist die Rate etwas geringer.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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