Sektkorken fliegt mit Überschall

Auch zum heurigen Jahreswechsel knallen wieder Tausende Korken. Wie Forscher in einem Experiment zeigen, verhalten sich Sektkorken für einen Augenblick wie Düsenflugzeuge - und fliegen mit Überschall.

Neben Donauwalzer und Feuerwerk darf für viele zum Jahreswechsel auch das typische Plopp-Geräusch beim Öffnen einer Sekt- oder Champagnerflasche nicht fehlen. Der Knall entsteht, wenn das im Flaschenhals gestaute Gemisch aus CO2 - das für den Sprudel sorgt - und etwas Wasserdampf plötzlich entweicht und den Korken aus der Sektflasche katapultiert.

Sektkorken fliegt aus der Flasche

Adobe Stock/Marcel Schauer

Begleitet wird der Korkenknall in der Regel von einem Nebel, der aus der Flasche herausquillt. Diesen haben französische Physiker nun mit Hilfe von Hochgeschwindigkeitskameras gefilmt und untersucht, wie sich das Gasgemisch verändert, wenn der Sekt 20 oder gar 30 Grad Celsius hat. Mit höchster Auflösung erkannten die Forscher, dass der Sprudelnebel ab Zimmertemperatur für wenige Millisekunden zum CO2-Kondensstreifen wird - wie bei einer Rakete oder einem Kampfjet.

Zehnfacher Druck im warmen Sekt

Das liegt daran, dass der Druck im Flaschenhals immer größer wird, je wärmer der Sekt ist, erläutert das Forschungsteam in der Studie. Bei Zimmertemperatur steigt der Druck auf 7.5 Bar, bei der im Warmen gelagerten Flasche sogar auf 10.2 Bar - das ist das Sieben- bzw. Zehnfache vom normalen Luftdruck, der auf Meereshöhe herrscht.

Lässt man den Korken nun knallen, trifft der Druck in der Flasche plötzlich auf den niedrigeren Umgebungsdruck. Durch diesen Druckabfall kühlt das entweichende Gas-Dampf-Gemisch augenblicklich auf minus 89, im Falle einer 30 Grad warmen Flasche sogar minus 95 Grad ab und kondensiert.

Kork mit Schallgeschwindigkeit

Dabei beobachteten die Forscher nicht nur den Minikondensstreifen, sondern auch kleine Schockwellen, die normalerweise entstehen, wenn Raketen und Kampfjets mit Überschallgeschwindigkeit fliegen. Für eine Millisekunde sind auf den Aufnahmen kleine Ringe erkennbar, die sich kurz danach mit dem Sektnebel wieder auflösen.

Diese Ringmuster werden auch Mach-Scheiben genannt - nach dem österreichischen Physiker Ernst Mach, der dieses Phänomen erstmals beschrieben hat. Sie entstehen, wenn der plötzlich aufeinanderprallende Druckunterschied mindestens fünfmal so groß ist, erklären die Physiker in ihrer Studie.

Dass sich solche hochphysikalischen Prozesse beim Entkorken von Champagner und Sekt abspielen, „war eine absolute Überraschung“, so die Forscher rund um den Physiker Gerard Liger-Belair von der Universität von Reims Champagne-Ardenne.

Wer seinen Sekt lieber gut gekühlt trinken will, muss leider auf den Überschalleffekt verzichten oder hoch in den Bergen feiern, wo der Umgebungsdruck niedrig genug ist. Dann vielleicht könnte man den Korken heute ebenfalls für den Bruchteil einer Sekunde mit Überschall fliegen lassen.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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