Israel: Forschung als Friedensstifter

Vor über 40 Jahren wollte ein Künstler in Israel Tomaten anbauen. Daraus entstand ein Gewächshaus, das zu einem Ort des Lernens und zu einem Treffpunkt für Jugendliche herangewachsen ist – egal, welcher Religion sie angehören oder woher sie kommen.

„Etwa so groß wie ein Fußballfeld“ – so beschreibt Noam Geva das Ecological Greenhouse im Kibbuz Ein-Shemer in Israel. Er ist der Direktor des Projekts und Sohn von Gründer Avital Geva. Beide folgten kürzlich einer Einladung nach Wien vom Kunst- und Diskussionsraum Depot, wo sie bereits im Jahr 2000 das Ecological Greenhouse vorgestellt hatten.

Eine Idee, die Früchte trägt

Schon als das Gewächshaus 1977 von Avital Geva zusammen mit Jugendlichen gebaut wurde, stand das Miteinander im Vordergrund, beschreibt sein Sohn Noam: „Mein Vater hat mir erzählt, er wollte damals einfach nur Tomaten anbauen. Es war ihm aber sehr wichtig, das zusammen mit den Menschen aus dem Kibbuz zu tun. Entstanden ist ein Ort, an dem sich Menschen unterschiedlicher Religion und Herkunft treffen und gemeinsam an Lösungen für Probleme arbeiten, die uns alle betreffen.“

Zwei Mädchen im Ecological Greenhouse: geeint trotz unterschiedlicher Religionen

Ecological Greenhouse

Konflikte zwischen Juden und Muslimen sind im Ecological Greenhouse kein Thema

Heute nutzen tausende Jugendliche das Ecological Greenhouse um zu forschen. Jedes Jahr gebe es eine Kerngruppe von ungefähr 50 Jugendlichen, die zahlreiche Projekte im Gewächshaus umsetzen, erklärt Geva. Hinzu kommen etwa 850 Mittelschüler aus israelischen Schulen, die sich regelmäßig an den Projekten beteiligen. Weiters nutzen jedes Jahr etwa 3.500 Interessierte das Kurs- und Workshop-Angebot des Ecological Greenhouse. Rund 2.000 Familien aus der näheren Umgebung sind im Gewächshaus außerdem regelmäßig zu Gast.

Das Interesse aus dem Ausland wachse ebenfalls ständig, freut sich Geva. So kommen jährlich etwa 2.000 Interessierte aus aller Welt, um vom Greenhouse-Projekt zu lernen oder selbst Ideen einzubringen und umzusetzen.

Teamarbeit von Jung und Alt

Jede Idee hat im Ecological Greenhouse ihren Platz, versichert Geva. Etwa 95 Prozent der Projekte, die dort umgesetzt werden, haben etwas mit der Umwelt zu tun – sei es die nachhaltige Produktion von ausreichend Nahrung oder das Filtern von Abwässern. Die Jugendlichen können selbstständig forschen, Experten aus der Industrie und von Universitäten helfen dabei – viele von ihnen ehrenamtlich.

Innenansicht des Ecological Greenhouse: Gewächshaus mit Wasserpflanzen

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Etwa so groß wie ein Fußballfeld ist das Ecological Greenhouse im Kibbuz Ein-Shemer

Beim Ecological Greenhouse angestelltes Lehrpersonal hilft bei dem Austausch zwischen Experten und Jugendlichen. Das sei sehr wichtig, meint der Direktor des Projekts Geva: „Es ist fast so, als ob Experten und Jugendliche zwei unterschiedliche Sprachen sprechen. Unsere Lehrerinnen und Lehrer helfen dabei, dass beide Seiten voneinander profitieren können.“

Im Land voller Konflikte

In einem Land wie Israel sei es nicht immer einfach, miteinander zu arbeiten und zu forschen, erklärt Geva. Gerade die Konflikte zwischen Juden und Muslimen, die schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts im Land wüten, würden viele Kooperationen erschweren.

Im Ecological Greenhouse merke man von diesen Konflikten aber nur wenig, freut sich der Direktor: „Wir haben muslimische Jugendliche, die gemeinsam mit jüdischen Jugendlichen an Projekten arbeiten. Die Leute kommen einfach zu uns und arbeiten gemeinsam unter einem Dach an Herausforderungen, die uns alle betreffen. Wir sprechen nicht viel über die Konflikte, sondern forschen einfach gemeinsam. Ich glaube, das ist der Grund warum die Zusammenarbeit bei uns funktioniert.“ Um das Miteinander weiter zu fördern, werden im Ecological Greenhouse auch Workshops und Kurse angeboten, die simultan in hebräischer und arabischer Sprache abgehalten werden.

Positive Effekte für Mensch und Umwelt

Das gemeinsame Forschen habe großen Einfluss auf die Jugendlichen, meint Geva. Neben dem Entstehen von Freundschaften kommen sie auch mit zukunftsrelevanten Themen in direkten Kontakt und sind selbst gefordert, Probleme zu lösen. „Einige der Leute, die als Jugendliche bei uns geforscht haben, sind heute Experten in der High-Tech Industrie oder tragen ihre Projekte hinaus in die Welt“, freut sich Geva.

Jungforscherin Lipaz Harodi bei der Präsentation ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse

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Jungforscherin Lipaz Harodi

Er erzählt etwa von Lipaz Harodi – einer Jugendlichen, die von einem israelischen Unternehmen damit beauftragt wurde, eine Lösung für verstopfte Bewässerungsrohre zu finden. An deren Innenseite hatten sich Mikroorganismen und Algen festgesetzt. Harodi sollte eine Lösung finden, ohne den Einsatz giftiger Chemikalien.

Als Vorbild für ihre Forschung wählte die Jugendliche die Haut von Haien aus. Die ist nämlich so strukturiert, dass sich Algen und Bakterien nicht daran festsetzen können. Harodi imitierte die Oberflächenstruktur an der Innenseite der Rohre, die dadurch resistent gegen Ablagerungen wurden. Mit dem Projekt gewann die Jugendliche in Israel den ersten Platz beim Stockholm Junior Water Prize und durfte im Jahr 2016 ihre Forschungsergebnisse in Schweden präsentieren.

„Wenn man die Welt verbessern will ..."

In Zukunft möchte Geva das Ecological Greenhouse weiter verbessern und ähnliche Projekte unterstützen: „Wir sind immer daran interessiert, unser Projekt weiter zu entwickeln und haben ständig neue Ideen, wie es besser gemacht werden könnte. Wir wollen keine Zweigstellen des Gewächshauses – eines macht schon genug Arbeit – aber wir wollen andere Gewächshäuser und ähnliche Projekte unterstützen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen.“

Sowohl der Direktor Noam Geva, als auch sein Vater Avital, hoffen, dass in Zukunft immer mehr Projekte wie das Ecological Greenhouse umgesetzt werden. Dazu müsse nur die Initiative ergriffen werden, so der Direktor des Projekts: „Wenn man die Welt verbessern will, muss man einfach damit anfangen, etwas zu tun. Mein Vater wollte Tomaten anbauen und hat ein Gewächshaus gebaut – man sieht, was bis heute daraus geworden ist. Wir alle müssen, wenn wir etwas verändern wollen, die Initiative ergreifen.“

Raphael Krapscha, science.ORF.at

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