„Cowboyhüte haben alle getragen“

Buffalo Bill, John Wayne und Lucky Luke haben den weltweit wohl bekanntesten Hut getragen. Cowboyhüte sind aber mehr als nur ein Symbol für weiße Männer, die in den Westen ziehen, sagt ein Grazer Amerikanist – der selbst Hut trägt.

„Der Cowboyhut ist eines der potentesten Symbole Amerikas“, sagt Stefan Rabitsch. „Neun von zehn Menschen weltweit erkennen ihn und verbinden damit den ‚Wilden Westen‘, Texas und die USA.“ Umso überraschter war der Amerikanist von der Universität Graz, als er begann, sich mit der Kulturgeschichte der Hüte zu beschäftigen. „Mit wenigen Ausnahmen gibt es dazu bisher keine Forschung.“ Eine These, warum das so ist: „Cowboyhüte sind Gebrauchsgegenstände. Wenn sie abgenutzt sind, werden sie gleich weggeworfen. Es gibt weltweit nur wenige Sammlungen, die sie aufbewahren.“ Eine Ausnahme ist das National Cowboy Museum in Oklahoma City, das Rabitsch im Rahmen seines Fulbright-Stipendiums ebenso besucht hat wie kleinere und größere Hutmachereien in Texas.

Stefan Rabitsch im National Cowboy Museum

Seth Spillman, National Cowboy Museum

Stefan Rabitsch (Mitte) im National Cowboy Museum

„Texas ist heute das Weltzentrum der Produktion von Cowboyhüten“, sagt Rabitsch. „Das war historisch aber nicht immer so.“ Textilindustrie und Hutmacherei waren ursprünglich in den US-Mittelatlantikstaaten wie Delaware oder Pennsylvania zuhause und sind von dort westwärts gewandert. Bestes Beispiel dafür ist das Unternehmen von John Stetson, der in den 1860er Jahren den bis heute wohl berühmtesten aller Cowboyhüte erfand. „Sein Vater war Hutmacher an Ostküste, Stetson ging mit seiner Firma dann über Missouri hinunter nach Texas, wo heute alle namhaften Hutmacher ansässig sind.“

Eine lückenhafte Ikone

John Stetson verwendete zahlreiche Prominente, um für seine Produkte zu werben, etwa den Bisonjäger, Cowboy und Showman Buffalo Bill. „1890 ist Bill auch in Wien aufgetreten“, erinnert Rabitsch. Wie kaum ein anderer prägte Buffalo Bill das Bild des Wilden Westen. Seine populärkulturellen Darstellungen wurden tradiert über Figuren wie John Wayne oder Clint Eastwood – allesamt Repräsentanten „weißer, heteronormativer Maskulinität“, wie es Rabitsch im Fachjargon nennt.

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Groschenromane und Hollywoodfilme hätten diese Ikonografie verbreitet, der historischen Wahrheit entspricht sie aber nicht. „Cowboyhüte haben alle getragen, unabhängig von Ethnizität, Geschlecht oder Alter“, sagt der Amerikanist. So seien zwischen einem Viertel und einem Drittel aller Cowboys auf den Ranches Afroamerikaner gewesen und auch der Anteil der Native Americans beträchtlich. „Das hat sich in der Populärkultur aber nicht niedergeschlagen, ebenso wenig wie der Beitrag von Frauen zum Wilden Westen“, sagt Rabitsch. Die Kunstschützin Annie Oakley oder Elizabeth Collins, die Cattle Queen of Montana, waren früher berühmt, sind heute aber fast vergessen.

Annie Oakley 1922 mit einem Gewehr, das ihr Buffalo Bill geschenkt hat

Library of Congress

Annie Oakley 1922 mit einem Gewehr, das ihr Buffalo Bill geschenkt hat

Das gleiche gilt für die Entstehungsgeschichte der Cowboyhüte an sich, die älter ist als die Erfindung von John Stetson und anderen US-Hutmachern. „Die Hüte sind das Ergebnis von Kulturräumen, die sich überschneiden. Ihren Ursprung haben sie in einem Grenzraum von Südosttexas, wo angloamerikanische Kultur auf mexikanisch-spanische Kultur gestoßen ist, mit einem leichten Einfluss auch französischer Kultur aus Louisiana.“ Das Know-how von Viehwirtschaft und Reitkunst etwa stamme großteils aus Mexiko. „Der Sombrero ist der Urgroßvater des Cowboyhuts“, so Rabitsch, „und seine Kulturgeschichte komplex.“

Und das ist heutzutage auch seine Produktion. Denn die Rohstoffe von Cowboyhüten kommen heute laut Rabitsch zwar aus aller Welt – die Hasenfelle etwa aus Portugal und Belgien, die Strohhutrohlinge aus China –, die Handarbeit zur Endfertigung wird freilich in den USA erledigt. Und das passt wunderbar zu Donald Trumps Motto von „America First“. Die Firma Stetson hat so auch im Juli 2017 den Bundesstaat Texas bei einer „Made in America“-Woche im Weißen Haus vertreten. Trump wurde dabei mediengerecht ein „Präsidenten-Hut“ überreicht.

Stetson-Chef Dustin Noblitt und der US-Chef Donald Trump

AP

Stetson-Chef Dustin Noblitt und der US-Chef

Auf der Suche nach der „Hatiquette“

Das Interesse von Stefan Rabitsch an dem Thema ist auch autobiografisch. Von einem Aufenthalt in Australien im Jahr 2002 kam er mit einem Akubra, quasi einem australischen Cowboyhut, zurück nach Österreich – und trägt ihn seither täglich. Im mit Hüten gepflasterten Texas fällt so etwas auf und öffnet dem neugierigen Amerikanisten Tür und Tor. „Ja, das ist ein guter Ausgangspunkt, um ins Gespräch zu kommen“, grinst der gebürtige Fohnsdorfer.

Bei seinem Aufenthalt in den USA kristallisierte sich auch immer stärker eine „Hatiquette“ heraus. Ganz oben auf der Liste der Benimmregeln: In den meisten geschlossenen Räumen kommt der Cowboyhut runter, in der Kirche sowieso, nicht aber im Saloon oder seinen heutigen Nachfolgern.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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