Studie: Kunst spricht für sich

Bildlegenden, Audio-Guides und Broschüren: Im Museum gibt es viel Begleitmaterial für Kunstwerke. Für das ästhetische Empfinden spielt das laut einer neuen Studie aber keine Rolle – die Kunst spricht quasi für sich.

Der Kontext prägt die Wahrnehmung, das haben schon diverse Studien gezeigt. Wenn zum Beispiel der Preis von Wein höher angegeben wird, schmeckt er den Konsumenten besser. Auch beim Betrachten von Kunst ging man bisher davon aus, dass neben Farbgebung, Stil und Inhalt auch der Kontext wie Hintergrundwissen zum Gemälde oder auch der Titel des Kunstwerks zur ästhetischen Wahrnehmung beiträgt.

Allerdings scheint der Kontext beim Kunsterlebnis eine untergeordnete Rolle zu spielen, wie Forscher und Forscherinnen um den Psychologen Jens Gaab von der Universität Basel zeigen. Merkmale des Gemäldes wiegen demnach deutlich schwerer, berichten sie im Fachblatt „Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts“.

"Les masques intrigués" (1930) des belgischen Malers James Ensor

Emanuel Hoffmann-Stiftung, Foto: Kunstmuseum Basel, Martin P. Bühler

„Les masques intrigués“ (1930) des belgischen Malers James Ensor

Für ihre Studie ließen die Forscher und Forscherinnen 75 Probanden sechs Gemälde verschiedener Künstler aus der Zeit des flämischen Expressionismus betrachten, wie die Uni Basel am Montag mitteilte. Zu sehen waren diese in der „Future Present“-Ausstellung im „Schaulager“ nahe Basel.

Zu Beginn teilten die Psychologinnen und Psychologen die Teilnehmenden in zwei Gruppen ein: Die einen erhielten einfache, beschreibende Informationen zu den Kunstwerken, die anderen ausführliche, vertiefende, beispielsweise in Form einer Interpretation. Die Probanden sollten zum einen per Fragebogen ihr ästhetisches Erleben der Gemälde erfassen. Zum anderen maßen die Forscher und Forscherinnen auch Herzfrequenz und Hautleitfähigkeit als Indizien für die Emotionen, die das Betrachten der Kunstwerke auslöste.

Eigenschaften der Gemälde entscheiden

Der Theorie nach hätten die vertiefenden Informationen das ästhetische Erleben stärker beeinflussen sollen als die einfachen. Nur zeigte sich in den Daten kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen, weder bei den subjektiven Bewertungen der Teilnehmenden, noch bei ihren körperlichen Reaktionen. Jedoch lösten die verschiedenen Gemälde durchaus unterschiedlich starke Reaktionen bei den Betrachtenden aus - unabhängig von den Kontextinformationen, die sie erhielten. Demnach prägen die Eigenschaften der Gemälde wie Farbe und Inhalt das Empfinden der Betrachter und Betrachterinnen deutlich stärker als Begleitinformationen.

Das relativiere die Bedeutung von Kontextinformationen und sei daher auch für Museen interessant, schrieb die Uni Basel: Besucher und Besucherinnen bräuchten nicht zwingend Informationen, um gesättigt aus einer Ausstellung zu laufen, so Gaab.

Die stärkste Reaktion löste das Bild „Les masques intrigués“ von James Ensor aus dem Jahr 1930 aus. „Die Kunstwerke von Ensor wirken meist bizarr oder absurd, weshalb gerade diese besondere Ausdrucksweise möglicherweise die Betrachter zu extremeren Bewertungen verleitet hat“, erklärte die Studienerstautorin Luisa Krauss gemäß der Mitteilung.

science.ORF.at/APA/sda