Was gegen die Klimakrise hilft

Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssen sich Wirtschaft und Gesellschaft bis 2050 weltweit ändern. Forscher und Forscherinnen haben nun die sechs wichtigsten Bereiche dazu ermittelt – von der Finanzwelt über die Energieerzeugung bis zur Bildung.

Das stärkste kurzfristige Transformationspotenzial sehen sie in veränderten Investitionen auf den Finanzmärkten: weg von fossilen Energieträgern und hin zu bereits vorhandener treibhausgasneutraler Energieerzeugung und -speicherung.

„Gesellschaftliche Kippinterventionen“

„Gesellschaftliche Kippinterventionen“ nennen die Forscher und Forscherinnen die sechs Bereiche, die sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „PNAS“ vorstellen. „Sie könnten Auslöser für die erforderlichen raschen, tiefgreifenden Veränderungen sein“, sagt Studien-Koautorin Franziska Allerberger von der Universität Innsbruck. „Obwohl dies weder eine umfassende noch eine vollständige Liste ist, könnten diese Faktoren dazu beitragen, Narrative für eine dekarbonisierte Zukunft im Jahr 2050 zu entwickeln“, ergänzt die Leitautorin Ilona Otto, Soziologin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Für die Studie wurden weltweit Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen befragt, und aus deren Vorschlägen wurden die aus ihrer Sicht aussichtsreichsten Kandidaten ausgewählt:

Energieerzeugung: Hier müsste der Trend weg von fossilen Brennstoffen gehen. Dabei ist vor allem die Politik gefordert: 2015 waren die Subventionen für Kohle, Erdöl und Erdgas noch mehr als doppelt so hoch wie die Subventionen für erneuerbare Energien. Außerdem empfehlen die Forscher und Forscherinnen einen Umbau der Energieversorgung von zentralen Kraftwerken hin zu dezentraler Energiegewinnung, etwa durch Solar- und Windkraft.

Schlote eines Kohlekraftwerks an der Küste

Xu congjun - Imaginechina / AP

Schlote eines Kohlekraftwerks in China

Städte: Direkte und indirekte Emissionen von Gebäuden summieren sich weltweit zu 20 Prozent des Treibhausgasausstoßes. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen schlagen große Demonstrationsprojekte vor, in denen auch klimafreundliches Bauen gezeigt werden könnte. So könne ein großes Gebäude, das zu 80 Prozent aus laminiertem Holz errichtet werde, Tausende Tonnen Kohlendioxid (CO2) vermeiden. Auch in der öffentlichen Infrastruktur von Städten bestehe ein großes CO2-Einsparpotenzial.

Finanzsystem: Wenn Investoren befürchten müssten, dass sich ihr Engagement bei fossilen Brennstoffen nicht mehr rentiert, könnten sie ihre Gelder aus dieser Branche abziehen. „Simulationen zeigen, dass nur neun Prozent der Investoren das System kippen könnten, was andere Investoren dazu veranlasst, dem zu folgen“, heißt es in der „PNAS“-Studie. Es gebe bereits Anzeichen für einen Wendepunkt, nämlich Kürzungen bei der finanziellen und versicherungstechnischen Unterstützung von Kohleprojekten.

Normen und Werte: Die Gewinnung und Nutzung fossiler Brennstoffe ist den Forschern zufolge „wohl unmoralisch“. Denn solches Handeln verursache weitestgehend schwerwiegende und unnötige Schäden. „Das Bewusstsein für die globale Erwärmung ist hoch, aber die gesellschaftlichen Normen zur grundlegenden Veränderung des Verhaltens sind es nicht", so Koautor und PIK-Direktor Johan Rockström. Dies gelte es zu ändern. "... längerfristig ist wohl ein neues soziales Gleichgewicht erforderlich, in dem der Klimaschutz als soziale Norm anerkannt wird.“

Bildungssystem: „Nachhaltigkeit kann nicht auferlegt werden, sie muss gelernt werden“, schreiben die Studienautoren und -autorinnen. Deshalb plädieren sie dafür, in deutlich höherem Maße als heute eine umwelt- und klimabewusste Lebensweise in den Schulunterricht einzubeziehen. Qualitativ hochwertige Bildung unterstütze und erweitere Normen und Werte und könne schnell zu Verhaltensänderungen bei Einzelpersonen und ihren Kohorten führen.

Weltweit demonstrieren Schüler und Schülerinnen für Klimaschutz, so wie hier in Lausanne, wenige Tage vor dem World Economy Forum un Davos

APA/AFP/Stefan Wermuth

Weltweit demonstrieren Schüler und Schülerinnen für Klimaschutz, so wie hier in Lausanne, knapp vor dem World Economy Forum in Davos

Verbraucherinformationen: Wichtig für einen gesellschaftlichen Wandel sind nach der Einschätzung der Forscher auch Informationen für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Unter den analysierten Vorschlägen waren auch Angaben über den Ausstoß von Treibhausgasen zur Herstellung eines Produkts auf jeder Packung, ähnlich wie die Nährwertangaben bei Lebensmitteln. „Es sollte den Menschen einfach gemacht werden, einen klimaneutralen Lebensstil zu führen“, sagt Rockström.

„Letztlich zählen Handlungen“

Franziska Allerberger von der Uni Innsbruck betont, dass man diese Kippmechanismen nicht einzeln betrachten könne. Sie würden sich gegenseitig beeinflussen und könnten sich in ihrer Wirkung verstärken. Damit werde es wahrscheinlicher, rasch aus dem nicht nachhaltigen Zustand herauszukommen.

Entscheidend sei jetzt, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus den unterschiedlichsten Disziplinen gemeinsam mit der Politik, NGOs, der Wirtschaft und vor allem auch mit jungen Menschen konkrete Wege erarbeiten, wie eine tiefgreifende gesellschaftliche Veränderung konkret und sozial gerecht gestaltet werden kann. „Letztendlich zählen aber Handlungen und nicht die bloße Beschreibung von Möglichkeiten.“

science.ORF.at/APA/dpa

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