Warum Stickstoff bei Kometen fehlt

Kometen-Einschläge auf der jungen Erde könnten die Bausteine für die Entstehung des Lebens mitgebracht haben. Allerdings schien ein wichtiger Baustein, nämlich Stickstoff, in Kometen zu fehlen. Nun haben Forscher das Rätsel gelöst.

Beinahe hätte die Staubwolke um den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko, kurz „Tschuri“ das Massenspektrometer der Berner Forscher an Bord der Rosetta-Sonde zerstört. Stattdessen sammelte das Instrument mit der Bezeichnung „Rosina“ wertvolle Daten, mit denen das Team um Kathrin Altwegg von der Universität Bern nun ein großes Rätsel lösen konnten, jenes um den fehlenden Stickstoff. Damit fügen sie ein weiteres Puzzlestück hinzu, welche Rolle Kometen für die Entstehung des Lebens auf der Erde gespielt haben.

Bereits bei der „Giotto“-Mission zum Kometen Halley vor mehr als 30 Jahren stellten Berner Forscher fest, dass in der Staub- und Gaswolke, die sich bildet, wenn der Komet nahe an der Sonne vorbeizieht, Stickstoff zu fehlen scheint. Stickstoffverbindungen wie Ammoniak und Blausäure konnten sie zwar nachweisen, allerdings in viel geringeren Mengen als erwartet.

Dieser Umstand blieb ein Rätsel, bis Rosetta durch „Churys“ Staubwolke flog. Dabei konnten die Forscherinnen und Forscher mit dem Rosina-Instrument Substanzen nachweisen, die normalerweise in der kalten Umgebung von Kometen auf den Staubkörnern verbleiben und deshalb zum Teil nie zuvor bei einem Kometen gemessen worden waren. Insbesondere war plötzlich die Häufigkeit von Ammoniak um ein Vielfaches höher, wie das Team nun im Fachblatt „Nature Astronomy“ berichtet.

Verschiedene Salze

„Wir kamen auf die Idee, dass die Häufigkeit von Ammoniak in den Rosina-Daten möglicherweise auf das Vorkommen von Ammonium-Salzen zurückzuführen sein könnte“, erklärt Altwegg. „Als Salz hat Ammoniak eine viel höhere Verdampfungstemperatur als das Eis und ist deshalb in der kalten Umgebung des Kometen meist in der festen Form vorhanden, die man bis jetzt weder durch Fernerkundung mit Teleskopen noch vor Ort messen konnte.“

Um diese Theorie nachzuweisen, erhielt Altwegg Unterstützung von der Chemikerin im Rosina-Team Nora Hänni. Im Labor vollzog Hänni die entsprechenden Reaktionen und Muster im Massenspektrogramm mit einer exakten Kopie des Rosina-Instruments nach. So konnte das Team Spuren von ganzen fünf verschiedenen Ammonium-Salzen nachweisen: Ammoniumchlorid, Ammoniumcyanid, Ammoniumcyanat, Ammoniumformat und Ammoniumacetat. Einige dieser Substanzen sind beispielsweise für den Aufbau von Aminosäuren und DNA-Bausteinen wichtig.

Entstehung des Lebens

Eine der großen Fragen hinter der Rosetta-Mission ist, welche Rolle Kometen bei der Entstehung des Lebens auf der Erde gespielt haben. „Durch die extrem heißen Bedingungen bei der Entstehung der Erde lagen danach viele der dafür wichtigen Verbindungen nicht mehr vor, oder nur in einer Form, in der sie nicht zur Entstehung des Lebens beitragen konnten“, erklärt Altwegg. Auf Kometen könnten diese Verbindungen jedoch überlebt haben und bei Einschlägen wieder auf die abgekühlte Erde gelangt sein.

Kürzlich gelang es einem internationalen Team, zu dem auch das Team um Altwegg gehörte, den Weg des Phosphors über Kometen auf die Erde nachzuweisen. Mit dem Nachweis von Stickstoff in Kometen scheint dieser Weg auch für diesen wichtigen Lebensbaustein wahrscheinlich.

„Was uns noch fehlt sind Bodenproben eines Kometen, um das Bild zu vervollständigen“, sagte die Berner Astrophysikerin. Die Landung auf „Chury“ mit dem Minilabor namens „Philae“ war damals etwas missglückt, so dass es kaum Daten liefern konnte. Allerdings harren auch noch jede Menge Daten von Rosina der Auswertung, beispielsweise zu verschiedenen Isotopen der Elemente und zu schwereren Molekülen.

science.ORF.at/APA/sda

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