Späterer Schulbeginn, bessere Leistung

Viele Jugendliche sind Langschläfer, sie leiden besonders unter dem frühen Schulbeginn. Könnten sie ihrem natürlichen Bedürfnis folgen, wären sie nicht nur fitter und ausgeglichener, sondern laut einer Studie auch besser in der Schule.

Jede innere Uhr tickt etwas anders. Je nach Veranlagung sind manche eher morgens aktiv und leistungsstark, andere kommen erst am Abend so richtig in Gang. Das Leben nimmt darauf meist wenig Rücksicht. Das heißt, die meisten können es sich nicht aussuchen, wann sie wochentags aufstehen müssen. Taktgeber sind in der Regel die äußeren Umstände: Arbeit oder Schule. Vor allem junge Menschen leiden häufig unter der Verschiebung zwischen innerem und äußerem Rhythmus; besonders betroffen sind Jugendliche, deren Schlaf-Wach-Zyklus wegen der hormonellen Umstellung oft deutlich nach hinten wandert.

Wecker läutet vor Bett mit schlafendem jungen Mann

Adobe Stock/ lassedesignen

Der frühe Schulbeginn ist für Jugendliche oft ein Problem.

Schlafmangel und sozialer Jetlag sind für sie Normalzustand – und zwar weltweit, wie die Forscherinnen und Forscher um Andrea P. Goldin von der argentinischen Universidad Torcuato Di Tella in ihrer Studie betonen. Denn fast überall beginnt der Unterricht sehr früh, rund um acht Uhr morgens. Studien zeigen: Das kann auch Folgen für Körper und Psyche haben, z.B. Übergewicht oder Depressionen.

Noten und Tageszeit

Ein späterer Schulbeginn scheint also für Jugendliche wünschenswert, aber vielleicht nicht für alle, so die Autoren. Denn es gebe auch bei Schülerinnen und Schülern verschiedene Chronotypen, was sich sogar in der Leistung spiegeln kann. Frühaufsteher schneiden bei morgendlichen Tests mitunter besser ab als Langschläfer. Ob das wirklich daran liegt, dass letztere zum falschen Zeitpunkt geprüft werden, ist aber unklar. Es gibt nämlich auch die These, dass Frühaufsteher generell - also zu jeder Tageszeit - die besseren Schüler sind.

Es ist nicht ganz leicht, das zu überprüfen, denn im echten Leben gibt es nur wenige Schulen, deren Unterricht tatsächlich deutlich später beginnt. Dem Zufall verdanken die Forscher um Goldin ein Experiment mit solchen speziellen Bedingungen. In Buenos Aires gibt es eine Oberstufenschule, die ihren Unterricht über den ganzen Tag verteilt. Per Losentscheid werden die Schülerinnen und Schüler einer von drei (ungewöhnlich kurzen) Tageszeiten zugeordnet: 7:45 – 12:05 Uhr, 12:40 – 17:00 Uhr, 17:20 -21:40 Uhr. Die Stichprobe umfasste insgesamt 753 Schülerinnen und Schüler aus zwei Altersgruppen (13-14 Jahre, 17-18 Jahre).

Chronischer Schlafmangel

Zuerst ermittelten die Forscherinnen und Forscher durch Befragungen, welchen natürlichen Rhythmus sie hatten und inwieweit sich die Teenager im Lauf der Zeit an den von der Schule vorgegebenen Plan anpassten.

Die erste Schulschicht war demnach für alle eigentlich zu früh. Selbst Frühaufsteher erreichten damit nicht das empfohlene Schlafmaß von acht Stunden. Auch kleine Tagesnickerchen konnten das Defizit nicht kompensieren. Wirklich ausgeschlafen waren die meisten Jugendlichen nur in der Abendgruppe. Vor allem die Älteren hatten sogar in der Mittagsgruppe mit erheblichem Schlafmangel zu kämpfen, da ihr Tagesrhythmus so weit hinterherhinkt.

Einfluss der Tageszeit

Weiters konnte das Team feststellen, dass es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Chronotyp und Leistung gab – abhängig von Alter und Schulfach. Wenn die innere Uhr gegenüber dem Gruppendurchschnitt nachging, waren auch die Leistungen in der ersten Tageshälfte schwächer.

Eine Stunde „Verspätung“ entsprach in der Vormittagsgruppe in Mathematik einem Leistungsrückstand von 0,315 Punkten (in Argentinien wird eine zehnteilige Notenskala verwendet, Anm.), im Notendurchschnitt aller Fächer zeigte sich ein Rückstand von 0,157 Punkten. Beim Nachmittagsunterricht gab es weniger Leistungsunterschiede zwischen den Chronotypen. Am Abend profitierten dann die Langschläfer, vor allem in den Sprachfächern – das galt insbesondere für die älteren Schülerinnen und Schülern.

Die Ergebnisse legen laut den Autorinnen und Autoren jedenfalls nahe, dass durch eine bessere Abstimmung von innerer Uhr und Stundenplan die Leistung wirklich steigen könnte, zumindest in einzelnen Schulfächern.

Praktische Änderungen

Ein Vergleich mit früheren internationalen Studien zeigt, dass die argentinische Stichprobe besonders viele Langschläfer enthält. Wie das Team vermutet, liegt das auch an den kulturellen Umständen. In Argentinien gebe es in der Regel nicht vor 21:00 Abendessen. Generell seien Aktivitäten am späten Abend üblicher als in Europa oder den USA. Für viele argentinische Jugendliche sei es dadurch völlig normal, deutlich nach Mitternacht ins Bett zu gehen. Der frühe Schulbeginn könnte daher hier noch ein größeres Problem sein als anderswo.

Die praktische Umsetzung der Erkenntnisse sei aber da wie dort schwierig. Kaum eine Schule könne tatsächlich die individuellen Tagesrhythmen bei der Unterrichtsplanung berücksichtigen. Aber ein paar konkrete Maßnahmen wäre dennoch denkbar, schreiben die Forscherinnen und Forscher. Zum Beispiel könnte man den Mathematikunterricht generell etwas später am Tag einplanen oder den Schulbeginn zumindest für ältere Jugendliche etwas nach hinten verschieben.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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