Antarktis-Faktor wurde unterschätzt

Die Eisschmelze in der Antarktis könnte den Anstieg des Meeresspiegels deutlich stärker antreiben als bisher erwartet. Laut einer neuen Studie könnte allein dieser Faktor 58 Zentimeter ausmachen - bis zum Jahr 2100.

Allerdings gibt es bei den Prognosen hinsichtlich der Antarktis eine große Bandbreite, sagt Studienautor Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Bei unvermindertem Treibhausgasausstoß liege der wahrscheinliche Effekt für den Anstieg des Meeresspiegels zwischen sechs und 58 Zentimetern, heißt es in der Studie. Gelinge es dagegen, die Emissionen rasch zu verringern, liege die Spanne zwischen vier und 37 Zentimetern.

“Noch immer große Unsicherheiten“

„Der Antarktis-Faktor erweist sich als die größte Unbekannte, aber dadurch auch als das größte Risiko für den Meeresspiegel weltweit“, so Levermann. Er betont, die neuen Forschungsergebnisse lieferten vor allem wichtige Informationen für den Küstenschutz. Eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt es demnach, dass der Wert von 58 Zentimetern nicht überschritten wird.

„Je mehr Computersimulationsmodelle wir verwenden, die alle leicht unterschiedliche dynamische Repräsentationen des antarktischen Eisschildes sind, desto größer ist die Bandbreite der Ergebnisse, die wir bekommen - aber desto robuster sind auch die Schätzungen, die wir der Gesellschaft liefern können“, erklärt Ko-Autorin Sophie Nowicki vom NASA Goddard Space Flight Center. Zwar gebe es „immer noch große Unsicherheiten“, doch sei es gelungen, das Verständnis des größten Eisschildes der Erde beständig zu verbessern.

Auch zehn Meter plus möglich

Auf längere Sicht, also in den kommenden Jahrhunderten bis Jahrtausenden, hat das Abschmelzen des antarktischen Eisschildes der Studie zufolge das Potenzial, den Meeresspiegel um mehrere zehn Meter anzuheben. „Was wir mit Sicherheit wissen ist, dass das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas die Risiken für die Küstenmetropolen von New York bis nach Mumbai, Hamburg oder Shanghai weiter in die Höhe treibt“, warnte Levermann.

Schelfeis im Südpolarmeer

Mark Brandon

Bisherige Prognosen zum Anstieg des Meeresspiegels aufgrund der globalen Erwärmung berücksichtigten vor allem die thermische Ausdehnung des sich erwärmenden Meerwassers sowie schmelzende Gebirgsgletscher als wichtigste Faktoren für den Anstieg des Meeresspiegels. Auch das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds spielt eine Rolle.

Den jetzt in der Zeitschrift „Earth System Dynamics“ veröffentlichten Forschungsergebnissen zufolge dürfte jedoch der Anteil der Antarktis bereits in absehbarer Zeit zum wichtigsten Faktor werden.

Alle Faktoren zusammen ergeben dann das Gesamtrisiko des Meeresspiegelanstiegs. „Die Einbeziehung der anderen Beiträge zum Meeresspiegelanstieg von Grönland, Gebirgsgletschern und der Ausdehnung der Ozeane kann zu einem Meeresspiegelanstieg bis zu 150 Zentimeter führen“, sagt Levermann mit Blick auf den Zeitraum bis Ende des Jahrhunderts. In den zurückliegenden 100 Jahren hatte es einen Anstieg um insgesamt etwa 19 Zentimeter gegeben.

science.ORF.at/APA/AFP

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