Saurier erhält Knochen aus dem 3-D-Drucker

Die versteinerten Überreste eines 210 Millionen Jahre alten Dinosauriers hat das Naturhistorische Museum (NHM) Wien 2019 als Dauerleihgabe bekommen. Nun ergänzten Forscher fehlende Skelettteile des noch kopflosen Sauriers mit Knochen aus dem 3-D-Drucker.

Der Plateosaurus war ein bis zu acht Meter langer Pflanzenfresser, der während der Trias-Zeit lebte. Er gilt als Vorläufer der riesigen Sauropoden, den größten Landtieren, die jemals die Erde besiedelten. Mit seinem Auftreten vor rund 235 Millionen Jahren ist er einer der frühesten Vertreter der Dinosaurier. Knochen wurden bereits im 19. Jahrhundert in der Schweiz und Deutschland gefunden. Der deutsche Paläontologe Hermann von Meyer taufte das rätselhafte Tier schon 1837 auf den Namen Plateosaurus engelhardti. Der Begriff Dinosaurier wurde hingegen erst 1841 eingeführt.

Mathias Harzhauser mit Überresten des Plateosaurus

APA/GEORG HOCHMUTH

NHM-Paläontologe Mathias Harzhauser mit Überresten des Plateosaurus

Das NHM konnte sich 2019 über die Dauerleihgabe der Überreste eines rund sechs Meter großen und 210 Millionen Jahre alten Vertreters der Plateosaurier freuen. Auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Frick im Schweizer Kanton Aargau liegt eine der bedeutendsten Fundstellen von Sauriern aus der Trias-Zeit in Europa.

Aufgrund der Vielzahl an Funden ging das 2015 gehobenen Exemplar nach Wien. „Allerdings nicht in dem Zustand, wie wir uns das wünschen: Nämlich gleich zum Hinstellen. Sondern zum Selberbauen“, sagte der Leiter der Geologisch-Paläontologischen Abteilung am NHM, Mathias Harzhauser. Seither werden die Knochen in akribischer Kleinstarbeit von Präparatoren vom umgebenden Sediment befreit.

Kopflos nach Schlammtod

Bereits zum Start der Arbeiten war klar, dass das Skelett nicht ganz vollständig ist. Das liegt auch an den Umständen des Ablebens der Urzeitriesen: Die bis zu acht Meter großen und bis zu vier Tonnen schweren Plateosaurier suchten im trocken-heißen Klima der Trias Wasserlöcher auf, die ihnen mitunter zum Verhängnis wurden. Jene Exemplare, die heute gefunden werden, dürften nämlich im Sand und Schlamm stecken geblieben sein, wo sie versanken und starben.

Dadurch ist der untere Teil der Körper meistens kompletter als die oberen Bereiche. Denn an den teilweise versunkenen und verendeten Tieren machten sich meist noch Fleischfresser zu schaffen. Daher ist das nunmehrige „Wiener Exemplar“ u.a. auch „kopflos“, erklärte Harzhauser.

Ein Forscherin entfernt mit einem Skalpell Sedimentgestein an den Knochen

APA/GEORG HOCHMUTH

Ein Forscherin entfernt mit einem Skalpell Sedimentgestein an den Knochen

Tatsächlich hat in diesem speziellen Fall sogar einer der Räuber ein Beweisstück hinterlassen: Das Wiener Team fand einen kleinen ausgebrochenen Zahn eines Raubsauriers, „der hier offensichtlich geknabbert hat“. Für Harzhauser ist das „eigentlich als Sensation“ zu werten, denn die bisherigen Analysen zeigen, dass dieser Fund eher nicht zu den beiden bisher in der Gegend nachgewiesenen Fleischfressern mit Größen zwischen zwei und vier Metern passt. Man könnte es hier also mit einem ersten Hinweis auf eine neue Art zu tun haben, an dem auch die Schweizer Experten und Expertinnen sehr interessiert seien.

Kunststoff aus 3-D-Drucker wird bemalt

Trotz des Verbisses am Wiener Plateosaurus ist das Skelett immerhin zu rund 80 Prozent erhalten. Der Rest des Ensembles muss also nachgebildet werden. Neben dem Kopf „fehlen Teile der Arme, Beine und einige Wirbel. Wir haben aber meistens das jeweilige Gegenstück“, sagte Harzhauser.

In Kooperation mit der Firma „2Print“ rekonstruieren die Experten nun die fehlenden Teile: Mittels 3-D-Strukturlichtscans vorhandener Knochen werden die nachgebauten Teile gespiegelt und dann Schicht für Schicht und hochpräzise im 3-D-Druckverfahren angefertigt, wie Oliver Kreich von dem Wiener Unternehmen sagte: „Wir haben uns in dem Fall für Kunststoff entschieden, weil wir hier mit sehr dünnen Schichten sehr leichte Objekte aufbauen können.“ Die neuen Teile werden dann passend bemalt, sollen aber beim fertigen Modell trotzdem als Nachahmungen erkennbar sein.

Überreste des Sauriers werden mit einem Strukturlichtscanner gescantt

APA/GEORG HOCHMUTH

Überreste des Sauriers werden mit einem Strukturlichtscanner gescannt

Beim Kopf greife man auf die genauere Methode der Photogrammetrie zurück. Da dem Wiener Dino selbiger fehlt, wird dieser anhand eines von Kollegen aus Stuttgart bereitgestellten Gipsmodells angefertigt. Die digitale Rekonstruktion bietet auch den Vorteil, dass durch die Veränderungen im Gestein über Jahrmillionen verformte und teils zerdrückte Teile des Skeletts entzerrt werden können. Der virtuelle Saurierschädel alleine setzt sich aus rund 1.000 Einzelaufnahmen zusammen, so Kreich. Momentan ist die Scan-Kampagne in der Abschlussphase. Der Druck aller Teile im Rahmen des für das Unternehmen „sehr besonderen“ Projekts dauert rund 2.000 Stunden.

Komplettes Skelett bis Ende des Jahres

Sind alle Knochen des Dinos wieder beisammen, wird er „wahrscheinlich der Star in unserer Mesozoikumausstellung“, zeigte sich Harzhauser überzeugt. Im NHM hofft man, das dann komplette Skelett bis zum Ende des Jahres in Saal 8 des Hauses ausstellen zu können. Aber auch das finale Aufstellen sei noch „voller Abenteuer und Erlebnisse, jeder Knochen muss extra montiert werden. Das ist nicht trivial“.

Klar abzusehen ist jedoch die Sogwirkung, die ein neuer Dino vor allem auf junge Besucher ausüben wird, sagte NHM-Generaldirektor Christian Köberl: „Jeder Saurier ist einfach eine Attraktion.“ Nicht zuletzt ist auch die „brandneue 3-D-Rekonstruktion für die Besucher sicher eine sehr spannende Geschichte“.

NHM-Generaldirektor Christian Köberl mit einem Gipsabdruck des Plateosaurier-Schädels

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NHM-Generaldirektor Köberl mit einem Gipsabdruck des Plateosaurier-Schädels

Eine solche Dauerleihgabe sei jedenfalls ein großer Glücksfall für das NHM, denn die Anschaffung solcher Skelette am freien Markt ist extrem kostspielig „und das Geld haben wir nicht“. Das wissenschaftliche Renommee des Hauses und die guten Kontakte in die Schweiz hätten hier sehr geholfen. Das neue Objekt zeige jedenfalls auch eindrucksvoll, „wie viel man heutzutage noch aus den Knochen über das Leben der Tiere herauslesen kann“, so der Direktor.

science.ORF.at/APA

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