Wüstenlandschaft in Libyen
Savino di Lernia
Savino di Lernia
Klimageschichte

Fische in der Sahara

Auch in Urzeiten war das Klima im Wandel. Im Vergleich zur Gegenwart zwar gemächlich – die Auswirkungen waren dennoch enorm: Fossilfunde in Libyen geben Einblicke in ein ehemals blühendes Ökosystem.

Tadrart Acacus im Südwesten Libyens ist eine Wüstenlandschaft, wie man sie auch auf dem Mars finden könnte. Bizarre Felsformationen und Dünen prägen die Region, es ist trocken und heiß, selbst im Oktober liegen die Temperaturen noch bei 30 Grad im Schatten. „Superarid“ nennen Wissenschaftler die hier herrschenden Verhältnisse.

Als die Sahara grün war

Vor 10.000 Jahren bot sich dem Betrachter – und menschliche Betrachter gab es zu dieser Zeit – ein ganz anderes Panorama: Die von Flüssen durchzogene Landschaft war grün, es gab zahlreiche Seen, bevölkert von Pelikanen, Krokodilen und Schildkröten. Auch Nashörner und Büffel waren hier einst verbreitet – all das wissen Forscher durch Funde an einer Ausgrabungsstelle namens Takarkori.

Dort hat Wim Van Neer in den letzten Jahren tausende Knochen gesammelt. „Normalerweise erlauben Knochenfunde bloß einen kurzen Blick in die Vergangenheit, einen Schnappschuss gewissermaßen“, sagt der belgische Paläontologe im Gespräch mit dem ORF. „Unsere Sammlung ist anders. Wir decken einen Zeitraum von 5.000 Jahren ab. Wir können sehen, wie sich die Tierwelt in dieser Zeit verändert hat.“

Wüstensand und Stein: Felsformation im Akkakus-Gebirge
Heute ist der Tadrart Acacus eine Wüstenlandschaft

Van Neers jüngste Studie im Fachblatt „Plos One“ ist im Grunde ein Stück Klimageschichte mit zoologischem Anschauungsmaterial. Den großen Rahmen dieser Erzählung bildet die letzte Kaltzeit. Als sich mit Anbruch des Holozäns die Gletscher in Europa zurückzogen, wurde es in Nordafrika zusehends feuchter. Blühende Landschaften – mit diesem Bild steigt Van Neer in seine Geschichte ein, um dann ein Ökosystem zu beschreiben, dem sukzessive das Wasser ausgeht.

Im Tadrart Acacus wurde es nämlich von da an wieder trockener, 5.000 Jahre lang. Was das für die Tierwelt bedeutet hat, kann der belgische Forscher mit Hilfe seiner Daten nun genau nachvollziehen. Innerhalb der Gruppe der Fische setzten sich zunächst die Welse durch. Als es auch denen und all den anderen Wasserbewohnern zu trocken wurde, übernahmen Landsäugetiere das Kommando, schließlich verarmte die Tierwelt. Auch Menschen haben in dieser Region Spuren hinterlassen. „Wir können sehen, dass Menschen zunächst als Jäger und Sammler gelebt haben. Später als Schaf- und Viehzüchter. Dann zogen sie sich in die Sahelzone zurück.“

Wüste, Biotop, Wüste

In Takarkori haben Wissenschaftler auch tausende Getreidesamen in einer Felsnische entdeckt. Lange glaubte man, die Samen seien von Ameisen dorthin befördert worden. Doch vor zwei Jahren fanden die Botanikerin Anna Maria Mercuri und der Insektenforscher Stefano Vanin heraus: Es waren Menschen, nicht Ameisen. In dieser Region wurde offenbar auch Getreide kultiviert, solange es nicht zu trocken war.

Von der Wüste zum Biotop und wieder zurück zur Wüste: Dieser Wandel hat sich in Nordafrika mehrfach ereignet, auch in früheren Erdzeitaltern. Die Ursache dafür liegt in der Stellung der Erdachse, beziehungsweise in den zyklischen Schwankungen derselben. Die Perioden dieser Zyklen hat der serbische Mathematiker Milutin Milanković bereits in den 1920ern beschrieben. Sie stimmen gut mit dem Wechsel von Kalt- und Warmzeiten überein und sind daher bis heute ein wichtiger Bezugspunkt, wenn es um die Rekonstruktion des Klimas in Urzeiten geht.

„Klimawandel hat es auf der Erde immer gegeben“, sagt Van Neer. Dass das Tempo des jetzigen – vom Menschen ausgelösten – Klimawandels in der Geschichte einmalig und obendrein gefährlich ist, will er nicht bestreiten. Doch berufsbedingt denkt er in größeren Zeiträumen. „Die belebte Natur ist widerstandsfähig. Irgendwann wird sie auch nach Takarkori wieder zurückkehren.“