Künstlerische Illustration der Explosion des Sterns Beteigeuze
ESO/L. Calçada
ESO/L. Calçada
Astronomie

„Naher“ Stern knapp vor Explosion

In der Astronomie macht sich in diesen Monaten eine Art Goldgräberstimmung breit. Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass ein relativ erdnaher Stern demnächst explodiert und dabei ein allseits bekanntes Sternbild für immer verändert.

„Irgendwann in der Zukunft wird jemand dort eine Supernova beobachten“, mutmaßt Edward Guinan von der Villanova University in Pennsylvania. „An dieser Stelle wäre dann vor ungefähr 700 Jahren ein Stern explodiert.“ Denn diese Supernova hätte etwa 700 Lichtjahre entfernt stattgefunden. Und damit dauert es 700 Jahre, bis das Licht dieser Supernova uns erreicht.

Der US-Astronom wartet derzeit ungeduldig auf diesen Moment. Er könnte unmittelbar bevorstehen, er könnte aber auch noch Jahre oder Jahrzehnte auf sich warten lassen. Fest steht: Beteigeuze – so der Name des Sterns – wird explodieren. Und wenn das Licht dieser Explosion die Erde erreicht, wird dies nicht nur für Astronomen und Astronominnen ein Spektakel am Himmel sein. „Es dürfte ein wunderschönes Schauspiel werden“, glaubt Guinan. Die Explosion wird bläulich schimmern aufgrund des heißen Gases des Sterns. Diese Supernova wird alles am Nachthimmel überstrahlen, sogar den Mond. Alle übrigen Sterne im Sternbild Orion sind dann nicht mehr sichtbar, weil die Explosion des Sterns so hell ist.

Orion verliert seine Schulter

Beteigeuze gehört selbst zur Orion-Konstellation, einem der bekanntesten Sternbilder, das vor allem wegen seiner drei Gürtelsterne auffällt. Beteigeuze bildet die linke Schulter dieser Jägerfigur – noch.

Ö1 Sendungshinweis:

Dem Thema widmen sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 20.2.20 um 13:55 Uhr.

„Es gibt keinen anderen Stern, der auf dem Weg zu einer Sternexplosion ist, der uns so nahe ist wie Beteigeuze“, freut sich Hans-Thomas Janke vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. Denn 700 Lichtjahre Entfernung sind – nach kosmischen Maßstäben – ein Katzensprung. „Für die Erde ist diese Supernova glücklicherweise weit genug weg, um das Leben auf der Erde hier selbst nicht zu gefährden“, ergänzt der Astrophysiker.

Nur wann genau diese spektakuläre Show am Himmel starten wird – darüber herrscht Uneinigkeit unter Astronomen. Seit Oktober wurde Beteigeuze ständig dunkler. Oder anders herum: Er strahlt zunehmend schwächer. Dies zeigen unter anderem Aufnahmen des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte. Die Bilder zeigen in der südlichen Hemisphäre des Sterns eine deutliche Verdunkelung. Es könnte allerdings auch sein, dass der Stern Masse in Form von Staub ausgestoßen hat, die ihn nun verdunkelt.

Video zeigt die Veränderung des Sterns zwischen Jänner und Dezember 2019 (Credit: ESO/M. Montargès et al.)

Sicher ist: Beteigeuze ist dunkler; unklar ist, warum. Kurios ist, dass der Stern seit Anfang Februar nun wieder etwas heller strahlt. Es geht hin und her. Nur – was bedeutet das? Normale Schwankungen oder ein letztes Zucken? Das Dumme ist, dass Astronomen und Astronominnen nicht genau wissen, wie ein Stern sich zu benehmen hat, der demnächst explodieren wird.

„Es hat noch nie jemand beobachtet, was mit einem Stern passiert, bevor er zur Supernova wird“, gibt Edward Guinan zu. Denn Wissenschaftler würden sie stets erst dann entdecken, wenn sie schon explodiert sind. „Daher gibt es keine vernünftige Theorie, die uns sagt, wie sich Sterne wenige Monate oder Wochen oder ein Jahr vor ihrem Ende verhalten.“

Vorhersage der Explosion vielleicht möglich

Die jüngsten Aufnahmen des Very Large Telescope vom Jänner zeigen nun sogar, dass der Stern gar nicht mehr aussieht wie ein Stern – also nicht rund, so wie zum Beispiel die Sonne. Beteigeuze ist völlig aus der Form. Er ähnelt momentan einem in der Pfanne aufgeschlagenen Ei. Auch das deutet darauf hin, dass die Lichtstrahlen seiner Explosion bald auf der Erde eintreffen könnten.

Unmittelbar vorher dürften Detektoren überall auf der Welt einen Anstieg von Elementarteilchen aus dem Kern des Sterns wahrnehmen. Denn kurz bevor der Stern explodiert, wird die Energieerzeugung so gigantisch anwachsen, dass seine Neutrinoabstrahlung enorm zunimmt. „Während des letzten Tages könnten wir einen Anstieg der Neutrinoabstrahlung aus dem Sternzentrum messen“, glaubt Hans-Thomas Janka. „Und das könnte uns also so zehn, zwölf Stunden, bevor der Stern kollabiert, eine Warnung liefern, dass im Innern von Beteigeuze der endgültige, finale Kollaps bevorsteht.“

Video: Lokalisierung von Beteigeuze aus Sicht der Erde (Credit: ESO/P. Kervella/M. Montargès et al., Digitized Sky Survey 2)

Spätestens dann werden Astronomen und Astronominnen weltweit auch ihre optischen Teleskope auf die linke Schulter Orions richten. „Wenn Beteigeuze Planeten um sich herum haben sollte, dann werden diese Planeten natürlich ihren Stern verlieren“, muss Janka zugeben. Dadurch, dass Explosionsgase ins Weltall geschleudert werden, wird das Planetensystem auseinanderdriften. Und das heißt womöglich: Die Menschheit wird Zeuge eines unglaublichen Massensterbens jeglichen Lebens auf all den Exoplaneten, 700 Lichtjahre entfernt, die Beteigeuze umkreisen. Oder?

„Nein, wir müssen uns keine Sorge machen, dass irgendeine Form von Leben von der Supernova betroffen sein könnte“, beruhigt Hans-Thomas Janka. „Nach unserem Verständnis dauert die Entstehung von Leben viel länger als die Zeitdauer, die ein Stern wie Beteigeuze lebt.“ Denn Beteigeuze wird schon im gerade jugendlichen Alter von nicht einmal zehn Millionen Jahren das Zeitliche segnen. Auf der Erde hat die Entstehung höheren Lebens rund eine Milliarde Jahre gedauert – kein Grund zur Trauer also.