Elch in freier Wildbahn
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul
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Artenschutz

Europas Landkarte der Säugetiere

Biber, Wolf und Goldschakal befinden sich im Vormarsch, doch die meisten europäischen Säugetierarten sind bedroht: Ein wissenschaftliches Großprojekt zeigt, wo der Artenschutz ansetzen muss.

272 verschiedene Arten sind in der aktuellen Version des „Atlas of European Mammals“ („EMMA1“) verzeichnet, die letzte Ausgabe erschien 1999. Damals umfasste das verzeichnete Gebiet rund 6,7 Millionen Quadratkilometer, diesmal ist es mit ungefähr 11,6 Mio. Quadratkilometern fast doppelt so groß.

Im ersten Atlas endete Europa etwa an Polens oder Ungarns Ostgrenze oder den baltischen Staaten, erklärt die Zoologin Friederike Spitzenberger. Sie gehört dem Steuerungskomitee des wissenschaftlichen Großprojekts an. Die Ergebnisse sollen 2024 in einem rund 600 Seiten starken Atlas gesammelt erscheinen.

Der Nerz verschwindet

Die Informationen zur Verbreitung seien vor allem wichtig, um die Arten besser schützen zu können. Ausgewiesen wird die Säugetierfauna jeweils in 50 mal 50 Kilometer-Rastern über den ganzen Kontinent verteilt – insgesamt 4.676 werden es sein, erklärte Spitzenberger: „Jeder Punkt auf der Karte muss entweder zu einem Exemplar in einem Museums oder einer wissenschaftlichen Publikation zurückverfolgbar sein.“

Dass sich etwa Biber, Wolf und Goldschakal in Europa ausbreiten oder auch der Elch und der Braunbär da und dort wieder im Vormarsch sind, wird man in der Karte voraussichtlich ablesen können. Vielen anderen Tieren gelingt das aber nicht, so etwa dem Europäischen Nerz, und auch um einige Fledermausarten ist es deutlich schlechter bestellt.

Arten spalten sich auf

Insgesamt hat man es diesmal aber mit deutlich mehr Arten als jenen 194 zu tun, die vor 20 Jahren verzeichnet wurden. Das liegt nicht nur am vergrößerten Einzugsgebiet sondern auch daran, dass aufgrund der Fortschritte in der Genomanalyse in manchen Fällen aus einer Art mehrere wurden. So erging es etwa der Fransenfledermaus, die sich mittlerweile in vier Arten aufgespalten hat. Das hat auch Österreich einen Artenzuwachs beschert, als in Kärnten vor kurzem ein Fledermaus-Exemplar untersucht wurde, das sich als Mitglied einer anderen Art entpuppte, so Spitzenberger, die auch an der zweiten Auflage der 2001 erschienenen „Säugetierfauna Österreichs“ arbeitet.

Biber im Fluss
APA/dpa/Felix Heyder
Dem Biber geht es gut – im Gegensatz zu vielen anderen Säugetieren

Klar sei, dass das Gros der europäischen Säugetierarten in irgendeiner Form bedroht ist. „Wir werden sehen, ob sich das in den Verbreitungsbildern abzeichnet“, sagte die Zoologin. Die Datenlage zu den verschiedenen Tieren sei auch nicht einheitlich, denn systematisches Monitoring wird seit einiger Zeit nur bei Arten durchgeführt, die laut EU-Rahmenrichtliniengesetzgebung etwa in Österreich auch geschützt sind. Vor allem bei kleinen Säugtieren, wie verschiedensten Mäusearten, führe das dazu, „dass sich um sie heutzutage fast niemand mehr kümmert. Das ist das große Problem in vielen europäischen Ländern“.

„Schattendasein“ einer Disziplin

Dazu komme, dass gerade in Österreich die Säugetierkunde ein Schattendasein fristet, sagte Spitzenberger. Immer noch gebe es keinen einschlägigen Lehrstuhl an einer heimischen Universität. Im Gegensatz zu den Vogelkundlern könne man sich in dem Bereich auch nicht auf eine Vielzahl an Laienforschern bei der systematischen Beobachtung verlassen. Trotzdem werde sich der Österreich-Teil von „EMMA2“ auf Zehntausende Daten stützen.

Was die Situation der Säugetiere hierzulande betrifft, habe sich in den vergangenen Jahrzehnten „schon etwas getan“, so die Wissenschafterin. So legte seit 1990 beispielsweise die ursprünglich aus Südostasien stammende Brandmaus eine „fantastische flächige Ausbreitung in kurzer Zeit“ hin. Anzutreffen ist das Tier mit dem markanten schwarzen Strich auf dem Rücken bereits von der Südoststeiermark bis an die Donau bei Wien.

Nahezu ausgestorben ist hingegen u.a. die Langflügelfledermaus in Österreich. Nicht gut sehe es auch für die beiden heimischen Igelarten aus: „Es gibt sie zwar noch fast überall, sie sind aber mittlerweile wahnsinnig selten geworden.“