science.ORF.at: Frau Redlberger-Fritz, wie besorgniserregend ist die Situation?
Monika Redlberger-Fritz: Das Virus ist neu, deshalb müssen wir die Entwicklung genau beobachten. Aber ich sehe momentan keinen Grund zur Sorge.
Wie gefährlich ist der Erreger im Vergleich zu anderen Viren – etwa SARS?

Redlberger-Fritz: Im Vergleich zu SARS aus den Jahren 2002/2003 hat das Coronavirus eine wesentlich geringere Pathogenität. 2002/2003 haben fast alle Infizierten eine schwere – oft sogar tödliche – Lungenentzündung entwickelt. Beim Coronavirus entwickeln 80 Prozent der Patienten nur eine ganz leichte Symptomatik, etwa Husten, Schnupfen, Fieber. Die restlichen 20 Prozent erkranken an einer Lungenentzündung – und unter diesen gibt es auch schwere Verläufe. Das ist aber sehr stark abhängig vom Alter und vom Gesundheitszustand der Patienten.
Bei der SARS-Pandemie 2002/2003 gab es knapp 800 Todesfälle, beim vergleichsweise harmlosen Coronavirus hingegen bereits über 2.000 (Stand: 28. Februar) – wie erklärt sich das?
Redlberger-Fritz: Bei SARS gab es weltweit viel weniger Infizierte, insgesamt 8.000.
Das Coronavirus ist infektiöser?
Redlberger-Fritz: Die Übertragung ist wahrscheinlicher. Bei SARS 2002/2003 lagen so gut wie alle Infizierten zu Hause im Bett oder im Krankenhaus. Der schwere Krankheitsverlauf ist natürlich ein Nachteil – aber in gewisser Hinsicht auch ein Vorteil, weil die Betroffenen nicht herumgehen können: Hochpathogene Viren kann man in der Ausbreitung daher besser eindämmen. Unter mit dem Coronavirus infizierten Menschen gehen viele mit Husten und Schnupfen zur Arbeit oder einkaufen – und damit verbreitet sich das Virus viel leichter.
Wie kann man den Erreger im Körper eines Menschen nachweisen?
Redlberger-Fritz: Die beste Möglichkeit – das ist auch jene, die in Österreich eingesetzt wird – ist eine Untersuchung mit der sogenannten PCR. Man nimmt Abstriche aus dem Nasen- und Rachenraum von Patienten und weist darin das Erbgut der Viren nach. Fällt der Test positiv aus, wird er automatisch mit anderen Bruchstücken des Virusgenoms wiederholt, um sicherzugehen, dass das Ergebnis stimmt.
Wie hoch ist die Trefferquote?
Redlberger-Fritz: Mehr als 99 Prozent, das ist der Goldstandard solcher Tests.

Wie schnell gibt es ein Ergebnis und ab welchem Zeitpunkt ist der Erreger nachweisbar?
Redlberger-Fritz: Das Testergebnis steht ab Laboreingang nach ca. vier Stunden zur Verfügung, das hängt natürlich auch vom Aufkommen ab: Wenn wir gleichzeitig 500 Proben eingesendet bekommen, kann es auch länger dauern. Nachweisbar ist eine Infektion kurz vor Symptombeginn. Das ist auch der Zeitpunkt, ab dem die Betroffenen ansteckend sind.
Das heißt, so ein Test müsste unter Umständen wiederholt werden?
Redlberger-Fritz: Nein, denn es hat wenig Sinn, Menschen ohne Symptome zu testen. Und wenn die Symptome da sind, ist auch das Virus nachweisbar.
Links
- Situation in Österreich (Gesundheitsministerium)
- ECDC zum Coronavirus
- WHO-Informationsseite
Könnte man auch nachweisen, dass jemand infiziert war, ohne wirklich erkrankt gewesen zu sein?
Redlberger-Fritz: So etwas macht man mit Antikörpertests, diese werden in Kürze zur Verfügung stehen.
Wie kommt der Erreger in den menschlichen Körper?
Redlberger-Fritz: Über Tröpfcheninfektion – und über Schmierinfektion, denn viele Menschen husten oder niesen immer noch in ihre Hand: Wenn man dann auf eine Türklinke greift, hinterlässt man ungefähr zehn Prozent aller Viruspartikel, die auf der Handfläche waren. Der nächste greift hin, berührt sich im Gesicht – damit ist die Infektionskette komplett. Deshalb ist Handhygiene so wichtig.
Und wie dringt das Virus in die Zellen ein?
Redlberger-Fritz: Über die Schleimhäute. Dort docken die Coronaviren an die Rezeptoren von Zellen an, bewirken, dass sie aufgenommen werden und programmieren schließlich die Zellen um, sodass sie nur mehr Virusbestandteile herstellen.

Bitte um eine epidemiologische Einschätzung: Die WHO spricht von einem „internationalen Notfall“ und von einer Epidemie. Ab wann wäre die Erkrankungswelle eine Pandemie?
Redlberger-Fritz: Eine Epidemie ist dadurch gekennzeichnet, dass man eine Übertragung von Mensch zu Mensch in einem begrenzten Gebiet hat. Wie etwa in China, Südkorea oder jetzt auch in Italien. In Österreich ist das zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht der Fall, wir haben Einzelfälle, aber noch keine Epidemie. Von einer Pandemie sprechen wir, wenn die Erkrankung weder regional noch zeitlich begrenzt ist, der Erreger müsste also weltumspannend nachgewiesen werden.
Glauben Sie, dass es so weit kommt?
Redlberger-Fritz: Das kann ich schwer sagen. Ich würde gerne Professor Heinz zitieren, der in solchen Situationen immer gesagt hat: „Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“
Wie sieht es mit möglichen Impfungen aus?
Redlberger-Fritz: Zurzeit arbeiten Forschungsgruppen aus Europa, China und den USA daran, jeweils mit unterschiedlichen Ansätzen. Das ist keine einfache Aufgabe: Es reicht nämlich nicht, dem Immunsystem bloß Oberflächenproteine des Virus anzubieten – und das ist sicher nicht das einzige Problem, das zu lösen sein wird.
Wie lange wird das dauern?
Redlberger-Fritz: Auch das ist schwierig vorherzusagen. Meiner persönlichen Einschätzung nach wird es noch mindestens ein Jahr dauern.