Experiment

Papageien können Statistik

Sie rechnen nicht mit Formeln, aber das Ergebnis stimmt: Neuseeländische Bergpapageien haben ein Verständnis für Wahrscheinlichkeiten. Den Beweis liefert ein Experiment mit Erdnussbutter und Wäscheklammern.

Man muss ja nicht gleich, wie Sigmund Freud es anno 1917 getan hat, von „Kränkungen“ sprechen, wenn die Wissenschaft das Selbstbild des Menschen zurechtrückt. Sieht man sich die jüngeren Studienergebnisse zur Intelligenz von Vögeln an, kann man zumindest festhalten: Gar so weit von den Fähigkeiten des Menschen sind sie nicht entfernt. Das gilt etwa für Krähen, Kakadus sowie für den Kea, wissenschaftlicher Name: Nestor notabilis. Im Lateinischen ist der Nestor ein weiser alter Mann – kein unpassender Gattungsname für die neuseeländische Papageienart, wie die Biologin Amalia Bastos nun unter Beweis stellt.

Bastos ging in ihrer letzten Studie der Frage nach: Sind Vögel nur in Spezialfällen klug? Oder durchschauen sie Zusammenhänge generell – und wenden sie dann auf alle möglichen Lebenssituation an? Letzteres ist das, was der britische Psychologe Charles Speaman einst „G-Faktor“ nannte. Und es entspricht wohl auch am ehestem dem, was „Intelligenz“ heute in ganz normalen Unterhaltungen bedeutet, egal, ob sie nun messbar sein mag oder nicht.

Schwarz bedeutet Belohnung

Amalia Bastos hat sich in ihren Versuchen jedenfalls auf die messbaren Aspekte der Angelegenheit konzentriert, sie brachte sechs Keas bei, dass Wäscheklammern etwas mit Fressen zu tun haben. Nahmen die Papageien schwarze Klammern in den Schnabel, gab es Erdnussbutter oder andere Leckereien als Belohnung. War die Klammer orange, gab es nichts. Soweit, so einfach.

Im nächsten Schritt bot Bastos ihren Versuchstieren Gläser an, im ersten waren viele schwarze und wenige orangefarbige Wäscheklammern, im zweiten war es umgekehrt (siehe Video). Die Papageien durften sich nicht selbst bedienen, aber sie konnten der Versuchsleiterin anzeigen, wo sie eine zufällig gewählte Klammer entnehmen sollte. Wofür entschieden sich die Keas? Natürlich für das Glas, in dem mehr schwarze Klammern enthalten waren.

Komplizierter wurde es im nächsten Durchgang. Da brachte Bastos im Glas eine horizontale Barriere an, sodass man nur aus dem oberen Teil Klammern entnehmen konnte. Das Verhältnis von Schwarz/Orange im unteren Teil hätte die Papageien auf die falsche Fährte führen können – tat es aber nicht: Sie entschieden sich wieder richtig, für jene Variante also, wo sie am ehesten eine Belohnung zu erwarten hatten. Bastos wertet das als Hinweis darauf, dass Keas Wahrscheinlichkeiten abschätzen und diese Fähigkeit – G-Faktor in Aktion – auch an neue Lebenssituationen anpassen können.

Wahrscheinlichkeiten abschätzen

Mit wechselnden Bedingungen sind Keas auch in ihrem natürlichen Lebensraum konfrontiert, in ihren Gruppen herrscht ein ständiges Kommen und Gehen – folglich ist es für die Keas im Alltag wichtig sich zu merken, wer sich wann wie verhalten hat. Auch diesen Aspekt hat Bastos in einem Experiment untersucht.

Papgei vor zwei Gläsern mit schwarzen und orangefarbigen Wäscheklammern
Amalia Bastos
Gesucht: die maximale Belohnung

Vor die Wahl gestellt, entschieden sich die Papageien immer für jene Experimentatorinnen, bei denen sie sich die größten Chancen auf Belohnungen ausrechnen konnten. „Ausrechnen“ fast schon im Wortsinn, die Aufgabe war nämlich folgende: Zwei Wissenschaftlerinnen stehen vor einem Glas. Im ersten sind die meisten Klammern schwarz; im zweiten ist es umgekehrt, fast nur orangefarbige.

Dann nehmen die Wissenschaftlerinnen je eine Klammer aus dem Glas. Beide Male ist sie schwarz. Wo war es eher Wahl, wo Zufall? Beziehungsweise: Lässt sich hier möglicherweise eine Vorliebe erkennen? Diese Frage könnte auch den einen oder anderen menschlichen Probanden ins Grübeln bringen. Die Papageien fanden die Antwort. Sie entschieden sich für Wissenschaftlerin Nummer zwei.