Zwergschnauzer
Reuters/Claro Cortes
Reuters/Claro Cortes
Verhalten

Hunde – von ängstlich bis aggressiv

Ständiges Bellen, extreme Scheu oder Aggressionen – viele Hunde leiden unter Verhaltensauffälligkeiten. Laut einer finnischen Studie sind fast drei Viertel aller Tiere betroffen. Es gibt aber große Unterschiede zwischen den Rassen: Vermutlich spielt das Erbgut eine wichtige Rolle.

Wenn Menschen ängstlich sind oder Probleme haben, können Haustiere helfen, insbesondere Hunde. Der beste Freund des Menschen vermittelt Sicherheit und spendet Trost. Dabei bräuchten viele Vierbeiner mitunter selbst Hilfe. Manche sind sehr scheu, geräuschempfindlich oder aggressiv, andere bellen beim geringsten Anlass oder zeigen Verhaltensauffälligkeiten, z.B. jagen sie ihren eigenen Schwanz. Laut den Forscherinnen und Forschern um Milla Salonen von der Universität Helsinki ähnelt letzteres einer Zwangsstörung, wie sie auch bei Menschen vorkommt – sogar auf neurochemischer Ebene, wie man aus früheren Studien weiß. Anstatt in Therapie landen viele verhaltensauffällige Hunde allerdings im Tierheim, weil sie für Besitzerinnen und Besitzer zu anstrengend werden oder als öffentliche Gefahr gelten.

Ein Labrador Retriever
AFP/OLI SCARFF
Labrador Retriever

Um herauszufinden, wie weit verbreitet solche Verhaltensstörungen tatsächlich sind, hat das Team in Finnland eine landesweite Befragung durchgeführt. 13.715 Hundebesitzerinnen und -besitzer haben die detaillierten Fragebögen ausgefüllt. Die Hündinnen und Hunde waren zwischen zehn Monaten und 18 Jahren alt, darunter Mischlinge und Rassetiere wie z.B. deutsche Schäferhunde, Border Collies, Zwergschnauzer und Staffordshire Bullterrier, rund 30 Prozent von ihnen waren kastriert.

Mehr als 70 Prozent

Gefragt wurde nach Verhaltensstörungen, die Hunde bekanntermaßen oft betreffen: Geräuschempfindlichkeit, Angst, Angst vor Oberflächen, Impulsivität/mangelnde Aufmerksamkeit, Zwangsverhalten, Aggressionen und Trennungsängste.

Die Auswertung zeigte: 72,5 Prozent aller Tiere sind von mindestens einer der sieben Auffälligkeiten betroffen. 32 Prozent sind geräuschempfindlich; 29 Prozent haben Ängste, vor anderen Hunden (17 Prozent), vor Fremden (15 Prozent) und neuen Situationen (elf Prozent). Vergleichsweise seltener sind Aggressionen (14 Prozent) und Trennungsängste (fünf Prozent). Viele Tiere sind gleich doppelt und mehrfach betroffen: Z.B. sind ängstliche Hunde häufig auch aggressiv, impulsiv und geräuschempfindlich. Es gibt auch Geschlechtsunterschiede: Weibchen sind eher ängstlich, Männchen aggressiv. Viele Störungen verstärken sich im Alter noch.

Typische Eigenschaften

Laut den Forscherinnen und Forschern dürften die Verhaltensauffälligkeiten auch mit den Rassen zu tun haben. Denn zwischen denen gebe es recht große Unterschiede. So verhalten sich etwa mehr als zehn Prozent aller Zwergschnauzer gegenüber Fremden aggressiv, bei den gutmütigen Labrador Retrievern hingegen weniger als ein Prozent.

Drei Border Collies liegen auf einer Wiese
APA/dpa/Daniel Karmann
Drei Border Collies

Auch beim Zwangsverhalten finden sich rassetypische Eigenheiten. So jagen fast zehn Prozent aller Staffordshire Bullterrier ihrem eigenen Schwanz hinterher. Border Collies hingegen starren häufig und schnappen nach Fliegen. Das könnte etwas mit ihren angestammten Aufgaben zu tun habe. Sie halten ihre Herde mit Blicken in Zaum. Von anderen Auffälligkeiten sind die intelligenten Hütehunde kaum betroffen.

Die Eigenheiten bestimmter Rassen müssen aber nicht immer die Ursache der Probleme sein, schreibt das Team. So leiden etwa Mischlingshunde besonders häufig unter Trennungsängsten: Lässt man sie allein zuhause, urinieren sie beispielsweise auf den Boden oder zerstören etwas. Das könnte an schlechten Erfahrungen liegen. Denn viele Mischlinge stammen aus Tierheimen, auch in diesem Datensatz.

Gezielte Zucht

Dennoch vermuten die Studienautorinnen, dass der größere Teil der Störungen genetische Ursachen hat. Durch gezielte Zucht ließe sich die Häufigkeit von manchen Auffälligkeiten vielleicht etwas senken. In manchen Fällen sei das allerdings schwierig, da einige Eigenschaften genetische Gemeinsamkeiten haben. Ein Beispiel sei der deutsche Schäferhund: Jene Region im Erbgut, die mit Geräuschempfindlichkeit zu tun hat, soll auch am sozialen Verhalten der Tiere beteiligt sein – vermutlich ein Merkmal, das durch die Zucht forciert wurde. Daher sind die Wachhunde heute aber besonders lärmempfindlich.

Auch wenn sich nicht alles rauszüchten lässt, plädieren die Forscherinnen und Forscher dafür, die Verhaltensauffälligkeiten bei Züchtungsstrategien zu berücksichtigen, damit es den Haustieren besser geht und damit auch ihren Besitzerinnen und Besitzern.