Wladimir Putin spricht mit Journalisten
AFP/KIRILL KUDRYAVTSEV
AFP/KIRILL KUDRYAVTSEV
Rhetorik

Putins männliche Sprache der Macht

Der russische Präsident Wladimir Putin inszeniert sich gern besonders männlich, nicht nur auf Fotos mit bloßem Oberkörper und beim Kampfsport. Laut einem russischen Forscher äußert sich das auch in seiner speziellen Art des Sprechens.

An der Stimme erkennt man einen Menschen: Ob Mann oder Frau, ob Kind oder alter Mensch, schüchtern oder eitel, zärtlich oder aggressiv. Man kann die Stimme aber auch bewusst einsetzen, um sich zu inszenieren. Besonders wichtig ist das für Politiker. Was sie sagen, scheint heute oft genauso wichtig, wie die Art und Weise, wie sie es sagen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für die stimmliche Inszenierung ist der russische Präsident Wladimir Putin.

Veranstaltungshinweis

Dmitri Zakharine hält am 9.3.2020 einen Vortrag am IFK – Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften: „Putins Stimme. Die Macht von Timbre und Diktion“. Zakharine lehrt Geschichte an der Universität Freiburg. Er beschäftigt sich mit nonverbaler Kommunikation und frühen Tonmedien. Derzeit ist er IFK_Senior Fellow.

Der Kommunikationswissenschaftler und Historiker Dmitri Zakharine von der Universität Freiburg hat Putins Aussprache und Intonation analysiert. Als erster russischer Präsident in der Geschichte nutze Wladimir Putin seine sprachliche Performance gezielt, um sein Image aufzubauen und reproduzieren, so Zakharine.

Dabei komme ihm zugute, dass er in ärmlichen Verhältnissen in den Petersburger Höfen aufgewachsen ist und dort mit einer bestimmten Aussprache sozialisiert wurde. Außerdem habe er einen Judotrainer mit kriminellem Vorleben gehabt, der lange Zeit im Gefängnis gesessen und ihm eine Art Unterweltslang beigebracht habe. „Er spricht sehr ruhig, aber dafür ist die Intensität seiner Stimmer sehr hoch. Vergleichbar mit amerikanischen Gangstern, die man vielleicht aus Filmen kennt, die fast flüsternd, aber in schneidendem Tonfall ‚I tell you what!‘ zischen“, erklärt Zakharine.

Wladimir Putin bei einer Rede
AFP/EVGENIA NOVOZHENINA

Während bei anderen politischen Größen ein Unterwelttouch vielleicht eher negativ konnotiert sein könnte, habe er für Putin Vorteile. In der russischen Bevölkerung sei zeitgleich mit Putins Aufstieg das Bedürfnis nach einem starken Mann in der Politik gewachsen – das hänge unter anderem mit dem damaligen Ausbruch des Tschetschenien-Kriegs zusammen, erklärt Zakharine. Waldimir Putin bediene also gesellschaftliche Erwartungen, die an ihn als den „starken Mann“ gestellt werden.

„Machoklang“

Besonders männlich – „machistisch“, wie es Zakharine ausdrückt, wirken eben die plosiven Konsonanten bei Putin. In diesem Audiobeispiel spricht Putin darüber, dass er „all denjenigen – und gemeint sind vor allem westliche Politiker – den Mund stopfen will, die die Geschichte fälschen“, erklärt Zakharine. Es ist ein Auszug einer Rede Putins vom 18.Jänner 2020. (Ansprache an Veteranen des Zweiten Weltkriegs. Darin schwört Putin „den dreckigen Mund“ [poganyi rot] derjenigen, die die Geschichte des Zweiten Weltkriegs fälschen, mit Hilfe der „veröffentlichten Dokumente“ [etimi dokumentami] „zu stopfen“ [zatknem], Anm.)

Dmitri Zakharine geht es dabei gar nicht um den Inhalt der Rede, sondern um „die Intensität, mit der Putin die Anfangskonsonanten dehnt, um den Effekt einer Explosion bei mit den Lippen geformten plosiven Konsonanten wie ‚p‘ nach außen zu vermitteln.“

Macho-Sprache

Die Verengung des Kehlkopfes, die multifokale Betonung, die Dehnung von Konsonanten und die Kürzung der Vokale spielen laut Dmitri Zakharine eine zentrale Rolle bei Putin. Diese Art von Intonation und Aussprache stehe in der Tradition einer militärisch-bürokratischen „Macho-Sprache“, die darauf abzielt, das Ideal der männlichen Entschlossenheit und Unbiegsamkeit nach außen zu tragen.

Putins Redenschreiber achten darauf, dass er möglichst oft die Gelegenheit dazu bekommt, auch das hat Zakharine analysiert. „Es fällt auf, dass sehr viele Wörter in den Reden von Putin mit den plosiven Konsonanten beginnen – p und b, k und g, auch t und d“. Einzig die Pausen in seinen Reden verraten Putin, meint Dmitri Zakharine. Denn den Stil eines Supermachos durchzuhalten, kostet Mühe und eben manchmal ein Durchatmen.