Vater hält Baby im Arm, daneben die Mutter
alfa27 – stock.adobe.com
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Gender Pay Gap

Karenz entscheidend für Gleichstellung

Kinderbetreuung und Karenzregeln haben einen erheblichen Einfluss auf die Gleichstellung von Mann und Frau. Das zeigt eine Studie der Sozialforscherin Rossella Ciccia. Österreich schneidet im europäischen Vergleich schlecht ab.

Frauen arbeiten mehr als Männer, verdienen dabei aber weniger Geld. Denn Frauen verrichten mehr unbezahlte Sorgearbeit: Sie kümmern sich um Haushalt, Kinder und kranke Angehörige. Im Erwerbsleben sind sie dagegen viel öfter in Teilzeit beschäftigt als Männer. Ein Problem, dass Sozialforscherinnen wie Rossella Ciccia von der Universität Belfast in ganz Europa beobachten. Staatlich organisierte Kinderbetreuung und andere politische Maßnahmen können dazu beitragen, dieses Ungleichgewicht zu entschärfen.

Vorbilder: Schweden und Island

Am erfolgreichsten auf diesem Gebiet sind laut Ciccias Erhebungen die nordischen Länder Europas. Island war beispielsweise das erste Land weltweit, das Unternehmen mit mehr als 25 Angestellten per Gesetz dazu verpflichtete, Männer und Frauen gleich zu entlohnen. Schweden habe wiederum einen erfolgreichen Ansatz gefunden, wie sich Eltern die Babypause aufteilen, erläutert Ciccia.

„In Schweden müssen sich die Eltern die Karenzzeit teilen, wenn sie eine finanzielle Unterstützung des Staates in Anspruch nehmen wollen“, so die Sozialforscherin. Es gibt also keine verpflichtende Väterkarenz, aber einen starken finanziellen Anreiz. Das sei der einzige Ansatz, der funktioniert, ist Ciccia überzeugt. „Denn wenn die Eltern die Wahl haben, dann bleibt wegen wirtschaftlicher Überlegungen und kultureller Vorstellungen die Mutter zuhause“, so Ciccia weiter.

Schlusslicht: Österreich

Ökonomisch gesehen, ist die geteilte Karenz für Eltern in Schweden auch eine kleinere Belastung als in vielen anderen europäischen Ländern, denn dort herrscht Einkommenstransparenz. Vergleicht man die Jahresbruttoeinkommen von Männern und Frauen in Österreich, sieht man eine Differenz von 38 Prozent. Der Gender Pay Gap bei den Bruttostundenverdiensten liegt hierzulande immer noch bei rund 20 Prozent – in Schweden ist er fast halb so groß. Die Ausgaben des schwedischen Staates für Kinderkrippen, Kindergärten und Vorschulen lagen 2017 bei zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, in Österreich dagegen nur bei 0,6 Prozent.

Für Rosella Ciccia gehört Österreich in Fragen der Gleichstellung und Kinderbetreuung daher zu Europas Schlusslichtern. Denn das hiesige System ermögliche lange Karenzzeiten, gleichzeitig gibt es eine schlechte Infrastruktur in der Betreuung von Kleinkindern. Nachdem Frauen schlechter verdienen, seien sie es, die lange Auszeiten vom Beruf nehmen. „Und das ist eingebettet in eine Kultur, in der Männer die Hauptverdiener sind und Frauen nur zuarbeiten“, ergänzt Ciccia. Männer und Frauen seien hier nicht gleichberechtigt.

Folgen: niedrige Pensionen, Altersarmut

Gesetzliche Richtlinien zur Gleichstellung von Mann und Frau, wie Einkommenstransparenz, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und geteilte Elternkarenz, könnten auch kulturelle Veränderungen herbeiführen, so das Ergebnis der Studie. Wie solche Veränderungen in Österreich aussehen könnten, wird Ciccia demnächst untersuchen. Nachdem sie den Emma Goldman Award für innovative Sozialforschung der Flax Foundation gewonnen hat, kommt sie als Stipendiatin an das Institut für die Wissenschaften vom Menschen, IWM, in Wien.

Denn in Österreich hat die fehlende Gleichstellung in der Arbeitswelt deutliche Folgen: Die Pensionslücke zwischen Männern und Frauen ist im europäischen Vergleich groß. Die Alterseinkommen von Frauen über 65 Jahren sind im Schnitt um 39 Prozent niedriger als jene von Männern. Damit hat Österreich die viertgrößte Pensionslücke innerhalb der Europäischen Union, wie Wissenschaftlerinnen vom Wirtschaftsforschungsinstitut, WIFO, und der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt, FORBA, vor kurzem zeigen konnten. Viele Frauen über 65 sind folglich von Altersarmut betroffen.