Elektronenmikroskopische Aufnahme von SARS-CoV-2
APA/AFP/National Institutes of Health/Handout
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Therapien

Wie man das Virus stoppen könnte

Weltweit suchen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nach Wirkstoffen, die das Coronavirus unter Kontrolle bringen könnten. An vielversprechenden Kandidaten besteht kein Mangel – doch die Forschungen lassen sich nicht beliebig beschleunigen. Ein Überblick über mögliche Therapieansätze.

Ideal wäre eine vorbeugende Impfung: Gäbe es eine solche, könnte man die Bevölkerung binnen kurzer Zeit mit einer Herdenimmunität ausstatten, die gefährliche Atemwegserkrankung COVID-19 wäre damit besiegt. Nur leider geht das nicht von heute auf morgen. Klinische Studien sind aufwändig und langwierig, ob es gelingen wird, noch in diesem Jahr einen wirksamen und gleichzeitig sicheren Impfstoff zu entwickeln, ist ungewiss. Realistisch betrachtet wird es deutlich länger dauern.

So bleibt als Alternative die Therapie bereits Erkrankter. Auch hier ist noch kein Wundermittel zur Hand bzw. auf dem Markt. Gleichwohl gibt es einige Wirkstoffkandidaten, von denen man sich zumindest eine Linderung des Krankheitsverlaufs erhofft. Auch auf diesem Weg ließen sich Leben retten.

Die gute Nachricht ist: Vielleicht braucht es gar keine neue Substanz, möglicherweise helfen Medikamente, die gegen andere Virustypen entwickelt wurden. Das versuchen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen derzeit herauszufinden.

Enzyme hemmen

SARS-CoV-2 hat für ein Virus ein ziemlich großes Erbgut (knapp 30.000 Basenpaare insgesamt), bestehend aus einzelsträngiger RNA. Diese Menge an genetischer Information ermöglicht es dem Erreger, die Sicherheitsschranken des menschlichen Körpers zu unterlaufen. Andererseits bietet sich dadurch auch eine Menge möglicher Ansatzstellen für Medikamente. Die Stärke des Virus könnte also gleichzeitig seine Schwäche sein. Ein Beispiel dafür sind sogenannte Proteasen: SARS-CoV-2 braucht diese Enzyme, um Proteine zu spalten – und in weiterer Folge die eigene Vermehrung zu koordinieren.

Suche nach einem Coronoavirus-Medikament: Forscherin im Labor arbeitet mit der Mikropipette
APA/AFP/JOHN THYS

Was wäre, wenn man die Proteasen hemmt? Im Fall des HI-Virus ist das bereits geglückt. Proteasen-Inhibitoren, wie zum Beispiel die Wirkstoffe Lopinavir/Ritonavir, unterbinden die Vermehrung des Aids-Erregers. Es ist durchaus möglich, dass auch SARS-CoV-2 auf diese Weise unter Kontrolle gebracht werden könnte.

Stopp-Signal im Erbgut

Eine weitere mögliche Schwachstelle liegt tief im Inneren des kugelförmigen Viruskörpers. Das genetische Alphabet von SARS-CoV-2 besteht aus vier Buchstaben, die der Erreger dann Stück für Stück zu jener RNA-Kette zusammensetzt, in der alle Informationen für Virushülle, Infektion und Vermehrung enthalten sind. Man kann dem Erreger allerdings falsche Buchstaben (sogenannte Nukleosid-Analoga) anbieten – baut er diese in seine RNA-Kette ein, bricht die Replikation des genetischen Materials ab.

Der ursprünglich gegen Ebola entwickelte Wirkstoff Remdesivir tut genau das, er stoppt die Vervielfältigung der Virus-RNA. Die Düsseldorfer Uni-Klinik setzt Remdesivir bereits „in ausgewählten Einzelfällen“ zur COVID-19-Therapie ein, wie die Deutsche Presse-Agentur kürzlich berichtete. In China sowie in den USA – unter anderem an der University of Nebraska – laufen derzeit klinische Studien, die die Wirksamkeit und Sicherheit dieses Ansatzes aufzeigen sollen. Erste Ergebnisse aus China werden im April erwartet.

Umwidmung bekannter Wirkstoffe

Vor zwei Wochen berichteten chinesische Wissenschaftler im Fachblatt „Cell Research“, dass das alte Malariamittel Chloroquin Potenzial für die Bekämpfung von SARS-CoV-2 hätte. Im Laborversuch erwies sich das Medikament als wirksam, erste klinische Untersuchungen stimmen ebenfalls optimistisch. Warum eine Arznei, die eigentlich den Abbau des Blutfarbstoffs Hämoglobin (bzw. die Kristallisierung von dessen Abbauprodukt) verhindert, auch gegen Coronaviren hilft, ist noch nicht ganz klar. Höchstwahrscheinlich hat es damit zu tun, dass der Wirkstoff die Anheftung von Zuckerketten in einem menschlichen Membranprotein beeinträchtigt. Eben dieses Membranprotein, ACE2, nützt SARS-CoV-2 als Eintrittspforte, um in Wirtszellen zu gelangen.

An ACE2 setzt auch ein Wirkstoff der österreichischen Biotechfirma Apeiron Biologics an. Dieser wurde ursprünglich gegen SARS entwickelt – das könnte sich nun aus zwei Gründen als Glücksfall erweisen: Zum einen, weil der Wirkstoff auch dem neuartigen Coronavirus den Zugang zur Zelle versperrt und überdies die Symptome von Lungenerkrankungen bekämpfen könnte. Letzteres versuchen die Forscher um Firmengründer Josef Penninger gerade im Rahmen einer Studie in Guangzhou, Hongkong, zu bestätigen.

Zum anderen hat man mit diesem Wirkstoff bereits klinische Testphasen durchlaufen. Das spart bis zum möglichen Einsatz an COVID-19-Patienten wertvolle Zeit. Und das ist in der gegenwärtigen Situation wohl das höchste Gut der Wissenschaft. Ein wirkungsvolles Therapeutikum gegen die neue Lungenkrankheit, darüber sind sich die meisten Fachleute einig, wird früher oder später kommen. Besser wäre freilich früher.