Schachteln mit Medikamenten
AFP – JACK GUEZ
AFP – JACK GUEZ
Coronavirus

Verunsicherung durch Ibuprofen-Meldungen

Seit dem Wochenende kursieren Gerüchte zur Einnahme des fiebersenkenden Mittels Ibuprofen: Es soll sich negativ auf eine Coronavirus-Infektion auswirken. Wissenschaftlich belegen lassen sich diese Annahmen nicht – die Verunsicherung ist jedoch groß.

Am Wochenende kursierten erste Meldungen in den Sozialen Medien, dann twitterte der französische Gesundheitsminister: Das entzündungshemmende, fiebersenkende Schmerzmittel Ibuprofen könnte sich bei einer Coronainfektion negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken. Schließlich gab es auch noch die Empfehlung eines WHO-Sprechers, Ibuprofen nicht in Selbstmedikation zu verwenden.

In Frankreich stieg die Nachfrage nach Paracetamol, einem alternativen Fiebersenker, daraufhin rasant an. Aus medizinisch pharmakologischer Sicht sei dieser Schluss allerdings nicht zulässig, wie viele Expertinnen und Experten betonen.

Nur Gerüchte, keine Beweise

Für eine solche Empfehlung fehle es an stichhaltigen wissenschaftlichen Beweisen, betont der Pharmakologe Hans-Günther Knaus von der Medizinischen Universität Innsbruck. Ursprung der Gerüchte war ein Gedankenspiel von Wissenschaftlern in einem Leserbrief, der in einer medizinischen Fachzeitschrift veröffentlicht wurde. „Die Wissenschaftler haben selbst betont, dass es sich lediglich um eine Hypothese handle“, so Knaus. Es gebe keinerlei experimentelle Daten, die bestätigen könnten, dass Ibuprofen den Krankheitsverlauf nach einer Covid-19-Infektion verschlimmern würde oder eine Infektion bei gesunden Menschen wahrscheinlicher machen würde.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 18.3., 12:00 Uhr.

Anstoß für diese Hypothese war auch eine ältere Studie an diabeteskranken Ratten. Bei diesen Ratten führte die Einnahme von Ibuprofen dazu, dass sich bestimmte Rezeptoren an der Oberfläche ihrer Herzzellen vermehrten. Das waren jene Rezeptoren, die es dem neuen Coronavirus erleichtern, in menschliche Zellen einzudringen. Auf die aktuelle Situation sei das allerdings nicht übertragbar, sagt der Pharmakologe Michael Freissmuth von der Medizinischen Universität Wien.

Nebenwirkungen beachten

Es sei vollkommen unklar, ob sich diese Studienergebnisse auf gesunde Ratten übertragen ließen, auf Lungenzellen und überhaupt auf den menschlichen Organismus, betont Freissmuth gegenüber science.ORF.at. Unabhängig von den Gerüchten sei eindeutig bewiesen, dass beide fiebersenkenden Wirktstoffgruppen – die nicht steroidalen Antirheumatika, zu denen Ibuprofen gehört, und Paracetamol – Nebenwirkungen haben.

Medizinerinnen und Mediziner wüssten, dass Personen mit Herz- oder Nierenerkrankungen Ibuprofen nicht immer gut vertragen und jene mit Lebererkrankungen kein Paracetamol nehmen sollen, sagt Hans Günther-Knaus. Die eine Substanz würde die andere also nicht automatisch ersetzen. Das sei immer vom individuellen Patienten abhängig. „Die einen Patienten mögen vom Paracetamol profitieren, weil sie zum Beispiel einen Nierenschaden haben, andere wiederum vom Ibuprofen“, so der Pharmakologe.

Nachfrage sinnlos angestiegen

Gerade bei älteren Patientinnen und Patienten komme aus diesen Gründen öfter Paracetamol zur Fiebersenkung zum Einsatz, ergänzt Michael Freissmuth. Patienten über 50 rät er, wenn sie viele Arzneimittel nehmen, doch telefonisch Rücksprache mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnde Arzt zu halten, bevor sie ihr Fieber selbst behandeln.

Die Europäische Gesellschaft für klinische Pharmakologie schließt sich dieser Einschätzung ebenfalls an und stellte in einer Aussendung klar, dass es keine wissenschaftliche Evidenz für die bevorzugte Verwendung von Paracetamol gebe. Wegen der Gerüchte und Falschmeldung ist die Nachfrage nach Paracetamol in Frankreich so stark angestiegen, dass das Medikament mittlerweile nur mehr rationiert abgegeben wird, wie französische Medien berichten. Denn die meisten würden das Medikament gar nicht benötigen.